Krebs:Wenn Männer Brustkrebs bekommen

620 Männer erkanken jährlich in Deutschland an Brustkrebs. Sie finden nur schwer einen Arzt, denn viele Gynäkologen weigern sich, sie zu behandeln.

Von Kim Björn Becker

Für Dennis Riehle beginnt die Sache mit einem Verdacht. Sein Arzt entdeckt Veränderungen an seiner Brust und schickt ihn zu einem Frauenarzt - es könnte Krebs sein. Etwa ein Prozent aller Patienten mit der Diagnose Mammakarzinom ist männlich, jedes Jahr erkranken bundesweit 620 Männer daran. Riehle gehört also zu einer sehr kleinen Gruppe von Betroffenen. Und doch ist das deutsche Gesundheitssystem mit ihr oft überfordert.

Das hat etwas damit zu tun, wie das System funktioniert. Ein Grundsatz lautet: ambulant vor stationär. Wenn etwas bei einem niedergelassenen Arzt untersucht werden kann, dann soll das auch in der Praxis gemacht werden und nicht im Krankenhaus. Für Männer mit Brustkrebs beginnt das Problem bei einem zweiten Prinzip, das da lautet: Jeder Arzt soll das tun, für das er ausgebildet ist. Chirurgen sollen operieren, Radiologen durchleuchten und Frauenärzte eben Frauen behandeln. An diesem Punkt fallen Männer wie Riehle durch das Raster.

Er bat, so schildert er es, bei mehreren niedergelassenen Gynäkologen in seiner baden-württembergischen Heimat um einen Termin. Alle sollen abgelehnt haben, weil ein Frauenarzt eben keinen Mann behandeln könne. Das heißt, er könnte schon, bekomme aber von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kein Geld dafür. Riehle sagt rückblickend, er habe es als "demütigend" empfunden, so herumgereicht zu werden.

Das Problem ist bekannt. Peter Jurmeister hat die Krankheit selbst erfolgreich bekämpft und leitet nun das "Netzwerk Männer mit Brustkrebs". Viele Mitglieder des Vereins berichten ihm von ähnlichen Schwierigkeiten bei der Behandlung in einer Praxis. "Niedergelassene Frauenärzte sind oft verunsichert, ob sie Männer abrechnen können", sagt er. Das Verfahren ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt. In Westfalen muss sich ein Gynäkologe um eine Ausnahmegenehmigung seiner KV bemühen, wenn er einen Mann therapieren will. Betroffene könnten sich auch an niedergelassene Onkologen wenden, heißt es. Das sieht man in Hamburg ganz anders. Die dortige KV hält eine Behandlung von Männern durch Gynäkologen sogar für "fachlich erforderlich" und mache den Vertragsärzten keinerlei Einschränkungen.

Der Verweis auf andere Fachärzte kommt beim Berufsverband der Frauenärzte denn auch weniger gut an. Klaus König sitzt dort im Vorstand und sagt, bei Brustkrebs seien Gynäkologen "die qualifiziertesten Ärzte". Er setzt sich dafür ein, dass es überall so gehandhabt wird wie in Hessen: Dort können Gynäkologen grundsätzlich zu drei Prozent Männer behandeln. Das reiche in der Regel aus, sodass niemand weggeschickt werden müsse.

Dennis Riehle wandte sich nach seiner Odyssee durch die Praxen mit einer Petition an den Stuttgarter Landtag. Als Folge der Beschwerde wurde klargestellt, dass niedergelassene Frauenärzte in Baden-Württemberg fortan uneingeschränkt Männer behandeln können. Bis es so weit war, suchte der ungewollte Patient nach einer anderen Lösung. Riehle ging ins Brustzentrum einer Klinik und wurde dort rasch untersucht. Immerhin nahm die Geschichte ein gutes Ende. Der Krebsverdacht bestätigte sich nicht.

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