Designierte CDU-Generalsekretärin:Klare Überzeugungen und starke Nerven

Annegret Kramp-Karrenbauer

Sie schläft meistens gut, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer über sich selbst.

(Foto: dpa)
  • Die 55 Jahre alte Annegret Kramp-Karrenbauer hätte auch Bundespräsidentin werden können - aber das wollte sie nicht.
  • Stattdessen trat sie 2017 im Saarland noch einmal als CDU-Spitzenkandidatin an - und gewann deutlich. Doch nun wechselt die bisherige Ministerpräsidentin in die Bundespolitik.
  • Ihre Nachfolge im Saarland scheint geregelt: Fraktionschef Tobias Hans hat beste Chancen, Kramp-Karrenbauer zu beerben.
  • Während Kramp-Karrenbauers Regierungsarbeit auf Landesebene gab es einige eigentümliche Ereignisse. Ihrer Popularität hat das nicht geschadet.

Von Susanne Höll

In der Politik gibt es, ganz grob gesagt, drei Macht-Typen. Die einen streben mit Verve in höchste Ämter und lassen ihre Ambitionen die halbe Welt tagtäglich wissen. Altkanzler Gerhard Schröder ist dafür ein Paradebeispiel. Andere möchten auch gern nach ganz oben, können ihren Ehrgeiz aber eine Zeitlang kaschieren. So wie Schröders Nachfolgerin Angela Merkel. Und dann sind da jene, die für Top-Jobs aller Art infrage kommen, aber nicht mit jeder Faser ihres Körpers an die Spitze wollen. Zu ihnen gehört Annegret Kramp-Karrenbauer.

Die 55 Jahre alte Lehrerstochter könnte heute im Schloss Bellevue sitzen, als Bundespräsidentin. Das aber wollte sie nicht. Die Landtagswahl im Saarland im vergangenen Frühjahr wollte die CDU-Landeschefin persönlich bestreiten, sie hatte die Sorge, dass ihre Partei sonst abschmieren könnte. Zur allgemeinen Überraschung gingen die Christdemokraten aber als klare Sieger aus der Abstimmung hervor, bei der die SPD, wenn man so will, sogar mit zwei Kandidaten angetreten war: der heimischen Anke Rehlinger und dem damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der vor Jahresfrist bekanntlich noch ganz groß in Mode war. Kramp-Karrenbauer schlug beide.

Ein Wunder? Eher nicht. Kramp-Karrenbauer hatte einfach die Nerven behalten. Das beherrscht die Juristin und Mutter dreier Kinder exzellent. Andere Leute würden keine Nacht mehr schlafen, wenn sie das bis fast zur Oberlippe verschuldete Saarland regieren und einigermaßen am Leben erhalten müssten. Sie schläft meistens gut, sagt sie, sehr gut sogar. Wenn es ein Päuschen gibt, etwa in nächtelangen, quälenden Koalitionsverhandlungen, sucht sich die Noch-Ministerpräsidentin einen Stuhl, legt, wenn es geht, die Beine hoch, und schlummert eine Runde.

Sie wirkt höchst unprätentiös und ist mit einem überraschenden Hang zum politischen Vabanque-Spiel in Dingen ausgestattet, die ihr wichtig sind. Am 6. Januar 2012 etwa, da war sie noch nicht einmal ein halbes Jahr als Ministerpräsidentin im Amt, kündigte sie aus scheinbar heiterem Himmel die Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen auf, die sie von ihrem Vorgänger Peter Müller geerbt hatte. Mit den seinerzeit zur Chaos-Truppe mutierten Liberalen war selbst an der Saar kein Staat mehr zu machen.

In Berlin schlugen die Schwarzen bis hin zur Kanzlerin die Hände über dem Kopf zusammen und fragten sich, ob die Dame in Saarbrücken ganz bei Verstand sei. Einfach mal so die in Berlin mitregierende FDP brüskieren, noch dazu am Tag von deren traditionellem Dreikönigstreffen. Kramp-Karrenbauer handelte kühlen Kopfes. Die CDU gewann die vorgezogene Neuwahl und regiert seither ziemlich friedlich und zuletzt auch recht erfolgreich mit der Landes-SPD.

Nachfolge offenbar geregelt

Erfolgreich deshalb, weil Kramp-Karrenbauer bei den jüngsten Bund-Länder-Finanzverhandlungen für das Saarland höhere Hilfen durchsetzte. Von 2020 an hat die Landesregierung pro Jahr 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Man kann wieder atmen im Südwesten, ein wenig jedenfalls. Eine allseits und auch von ihr selbst ersehnte Linderung der hohen Altschuldenlast konnte die Ministerpräsidentin allerdings nicht durchsetzen.

Knapp zwei Jahre muss sich das Saarland finanziell schwerst am Riemen reißen, diese Zeit hätte Kramp-Karrenbauer gern selbst noch in der Staatskanzlei verbracht. Aber die Bundes-Dinge sind, wie sie sind, und wenn sie gerufen wird, wechselt Kramp-Karrenbauer auch in neue Gefilde.

Die Nachfolge daheim hat sie mit einigen Vertrauten von der Saar offenkundig längst besprochen. Im Führungszirkel sieht man den Wechsel mit etwas Wehmut. Doch die Dinge würden gut geregelt, sagen Leute, die sich auskennen.

Kramp-Karrenbauer gilt als redliche Haut

Am frühen Montagabend trafen sich die Parteigremien in Saarbrücken. Und dieses Stelldichein endete selbst für manche Christdemokarten mit Überraschungen. Der 40 Jahre alte Fraktionschef Tobias Hans soll neuer Regierungschef zu werden. "Der kann das Amt machen", sagte Kramp-Karrenbauer am Abend. Ihm traut man zu, die schwarze Ära an der Saar fortzusetzen. Der zuletzt für das Regierungsamt favorisierte Finanzminister Stephan Toscani soll neuer Landtagspräsident werden, weil der bisherige Amtsinhaber Klaus Meiser (CDU) in eine unappetitliche Affäre um verschwundenes Geld beim Landessportverband sowie fragwürdige Beschäftigungen seiner Lebensgefährtin verwickelt ist und zurücktreten musste. Neuer Finanzminister wird der Landtagsabgeordnete Peter Strobel, der vor Jahren so gern Oberbürgermeister Saarbrückens geworden wäre. Neuer Fraktionschef soll der Ex- CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Funk werden. Dass der Koalitionspartner SPD einen CDU-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt mit wählt, gilt als ausgemacht.

Apropos politische Affären. Die sind im geografisch übersichtlichen Saarland nicht unbedingt häufiger als anderswo, dafür aber seltsamer. Auch Kramp-Karrenbauer hatte in ihrer immerhin 18 Jahre langen Regierungsarbeit einige eigentümliche Ereignisse zu rechtfertigen.

Als Innenministerin hatte sie einst dazu beigetragen, dass die damals völlig überforderten Stadtwerke in Völklingen eine Edelfischzucht aufbauten, die nach einigen Jahren in eine Millionenpleite schlitterte. In der Affäre um den immens verteuerten Bau eines Museums in Saarbrücken warf die Opposition ihr Täuschung der Öffentlichkeit und Fehlverhalten vor.

Diese Kritik und etliche Untersuchungsausschüsse haben dem Ansehen und der Popularität Kramp-Karrenbauers daheim keinen Schaden zugefügt. Das mag daran liegen, dass die meisten Leute im Saarland politische Affären und Verstrickungen aller Parteien als quasi naturgegebene Ereignisse betrachten.

Bella figura auch jenseits der Landesgrenzen

Denn auf den ziemlich überschaubaren knapp 2600 Quadratkilometern kennen sich viele der eine Million Einwohner, sind oft auch miteinander verwandt und sich wechselseitig Gefälligkeiten schuldig. Und niemand würde, bei aller Empörung, behaupten, dass Kramp-Karrenbauer sich durch irgendwelche zweifelhaften Aktionen persönliche Vorteile verschafft habe.

Sie gilt daheim als redliche Haut, die, anders als mancher ihrer männlichen Vorgänger, kein Gewese um die eigene Person veranstaltet, jenseits der Landesgrenzen aber zumeist bella figura macht. Für die spät zur Bundesrepublik gestoßenen Saarländer ist es immer Grund zu großer Freude, wenn einer der ihren im Bund oder sonstwo erfolgreich ist.

Überhaupt ist Kramp-Karrenbauer eine ziemlich typische Tochter ihrer vergleichsweise armen und vorwiegend katholischen Heimat. In wirtschaftspolitischen und sozialen Fragen meist links, gesellschaftspolitisch eher konservativ. Was beileibe nicht heißt, dass sie familiär ein biederes, anderswo vielleicht als überkommen empfundenes Rollenmodell lebt. Bei den Kramp-Karrenbauers war - und ist - fast immer die Frau die Hauptverdienerin. Ihr Mann, im Saarland stets "de Helmut" genannt, hingegen arbeitete halbtags, kümmerte sich um Kinder und Hunde.

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