Korruptionsskandal in Illinois:Geheime Deals in Springfield

Wollte der Sohn von Jesse Jackson durch Bestechung Senator werden? Unterlagen des FBI zeigen: Der Skandal im Freundeszirkel des künftigen US-Präsidenten ist nicht mehr fern.

Nina Jauker

Ist Jesse Jackson Jr. schuldig oder nicht? Das fragt sich momentan ganz Amerika. Die Korruptionsaffäre um Obamas Senatssitz zieht immer weitere Kreise. Sie wirft ein Licht auf das korrupte politische System um den Gouverneur Rod R. Blagojevich. Während der künftige US-Präsident Barack Obama immer noch als der Saubermann dasteht, liegt auf dem Sohn einer amerikanischen Ikone der Verdacht der Bestechung.

Korruptionsskandal in Illinois: Jesse Jackson Jr. bei der Pressekonferenz auf dem Capitol Hill, bei der er sich zur Blagojevich-Affäre äußerte.

Jesse Jackson Jr. bei der Pressekonferenz auf dem Capitol Hill, bei der er sich zur Blagojevich-Affäre äußerte.

(Foto: Foto: AFP)

Der aufsteigende Jungdemokrat Jesse Jackson Jr., 43, Sohn des Bürgerrechtlers Jesse Jackson, sah sich zu einer öffentlichen Erklärung genötigt. Denn in der am 7. Dezember bei einem Bezirksgericht eingereichten Strafanzeige eines FBI-Agenten zum Fall Blagojevich taucht ein mysteriöser "Senate Candidate 5" auf, der über Emissäre eine Million Dollar für Obamas vakanten Senatssitz geboten haben soll. Das zeigt die Zeugenaussage des FBI-Agenten Daniel W. Cain, die im Internet nachzulesen ist - und brisante Einblicke in die Machenschaften der amerikanischen Polit-Elite bietet.

Als diese "Nummer 5" wurde Jackson Jr. am Mittwoch vom FBI identifiziert. Das gab auch sein eigener Anwalt bekannt. Doch Jackson Jr. weist jeden Versuch der Bestechung zurück. "Ich bin nicht Gegenstand von Ermittlungen, mir werden keine Straftaten vorgeworfen", betont Jackson.

Hat Jackson nun Geld geboten für den Posten in Washington oder nicht? Am 10. November wies Blagojevich, Gouverneur von Illinois, einen seiner Berater an, gegenüber der Zeitung Chicago Sun Times die Geschichte zu verbreiten, dass der Gouverneur ein "langes produktives Gespräch" mit "Nummer 5" gehabt habe. Der berichtende FBI-Agent Cain merkt hier an, dass dieses Treffen - laut anderer abgehörter Gespräche - höchstwahrscheinlich eine Lüge sei.

Am 4. Dezember sieht die Sache dagegen schon anders aus. "Nummer 5", also Jackson, soll ihm versprochen haben, für eine eventuelle Wiederwahlkampagne Blagojevichs Geld zu sammeln, berichtet der Gouverneur seinen Beratern. Außerdem erzählt er von einem 500.000-Dollar-Angebot eines Mittelsmannes von "Nummer 5", das bereits vor Oktober 2008 stattgefunden haben soll.

Doch ein tatsächliches Treffen zwischen Jackson und Blagojevich sei erst "in den nächsten paar Tagen" geplant. Die Absprachen dazu finden offenbar über eine "Person D" statt, von der Blagojevich annimmt, dass es ein Vertrauter Jacksons sei.

Am Montag, den 8. Dezember, wird Jesse Jackson Jr. tatsächlich dabei beobachtet, wie er Blagojevich aufsucht. Er sei 90 Minuten bei dem Gouverneur gewesen, um sich für den Senatsposten ins Gespräch zu bringen, verteidigt sich Jackson später. Davor habe er ihn seit vier Jahren nicht gesehen.

Ist Jacksons Version wahr und hat Blagojevich aus Geltungssucht seinen Beratern von Millionenangeboten erzählt, die gar nicht existierten? Als besonders vertrauenswürdige Quelle kann man den Gouverneur aus Springfield wohl nicht mehr bezeichnen. Die Chicago Tribune fragt bereits offen, ob Blagojevich wohl verrückt sei.

Oder wollte Jackson möglicherweise nur zum Schein auf Blagojevichs Bedingungen eingehen und die versprochene Wahlkampfhilfe später nicht leisten? Unwahrscheinlich ist das nicht, denn der Gouverneur selbst soll unzufrieden damit gewesen sein, dass Jackson seine Hilfe lediglich über Emissäre zugesagt habe. Blagojevich habe mit Jackson "eine frühere schlechte Erfahrung gemacht, bei der Nummer 5 ein Versprechen nicht gehalten habe," berichtet FBI-Agent Cain.

Alles andere würde zu einem Skandal im engen Umfeld des künftigen Präsidenten führen: Nicht nur ist ungeklärt, wer den "großen Druck" auf Blagojevich ausgeübt hat, Jackson nicht zu berufen. Zudem könnten Beweise ans Licht kommen, dass das FBI durch die Enttarnung von Jackson tatsächlich verhindert hat, dass der Obama-Freund mittels Bestechung zum Senator wird.

Allerdings: Die Freundschaft zwischen dem künftigen US-Präsidenten und dem Chicagoer Kongressabgeordneten reichte nicht so weit, dass Obama ihn gerne als Nachfolger im Senat gesehen hätte. Obamas Favoritin für diesen Posten war Valerie Jarrett. Und Rod Blagojevich versuchte, mit dieser Vorliebe des designierten Präsidenten Geld zu machen.

Blagojevich allein besaß die Entscheidungsmacht, den Senatsposten neu zu besetzen - und plante, sich fürstlich dafür belohnen zu lassen, dass er dem Wunsch Obamas entsprach und dessen Favoritin Jarrett nach Washington schickte. In einem vom FBI abgehörten Telefongespräch sagte Blagojevich: "Dieses Ding habe ich zu verteilen und es ist verdammt noch mal viel wert. Ich werde es nicht umsonst hergeben. Nein, das werde ich nicht."

Selbst als Berater versuchten, ihn zur Räson zu bringen und erklärten, dass er zwei Jahre stillhalten solle, reagiert er mit wüsten Kraftausdrücken. "Nichts tun und diesem Hurensohn (Anmerkung in der FBI-Unterlage: the president-elect) seine Senatorin geben? Fuck him. Für nichts? Fuck him."

Auch die Gouverneursfrau Patricia Blagojevich, laut der Abhörprotokolle häufiger im Hintergrund zu hören, dringt darauf, den Senatssitz gleich zu Geld zu machen. Die 43-Jährige hat einen Wirtschafts-Bachelor der Universität von Illinois. Sie ist zugelassene Börsenmaklerin mit einer eigenen Firma in Chicago. In Telefongesprächen erklärte sie, dieser Hintergrund qualifiziere sie für Posten in Unternehmensvorständen.

Laut FBI forderte Rod Blagojevich einen Kabinetts- oder Botschafterposten für seine Gefälligkeit oder 10 bis 15 Millionen Dollar für sich selbst und bezahlte Unternehmensvorstandsposten für seine Frau.

"Meine Frau ist genauso qualifiziert, in Vorständen zu sitzen, wie X (Name im Protokoll nicht vermerkt)." Wenn sie "zusätzlich 150.000 (Dollar) im Jahr nach Hause" bringe, würde es ihm helfen, noch ein paar Jahre Gouverneur zu bleiben.

Allerdings hatte Blagojevich die Rechnung ohne den zukünftigen Präsidenten gemacht: Obamas Team scheint es abgelehnt haben, für politische Gefallen Blagojevichs zu zahlen, was den Gouverneur - auf den Bändern deutlich zu hören - in Wut versetzte. "Die sind nicht bereit, mir irgendwas außer ihrer Wertschätzung zu geben!"

Also entschied sich Blagojevich, stattdessen Jesse Jackson Jr. zum Senator zu machen. Unklar bleibt, ob das als letztes Druckmittel gegen Obama verwendet worden war. Denn Jackson Jr. stand Obama im Wahlkampf zu Seite, sein Vater jedoch gilt als Obama-Kritiker.

Blagojevich erklärte am Telefon: "Ich schicke ihn in den Senat, bevor ich ihr (Jarrett) den verdammten Sitz gebe und selbst überhaupt nichts bekomme."

Valerie Jarrett hat sich längst aus dem Rennen zurückgezogen und ist vom Obama-Team mit einem Job als Beraterin im Weißen Haus versorgt worden. Blagojevich ist gegen eine Kaution von 4500 Dollar auf freiem Fuß. Er führt die Amtsgeschäfte weiter und versucht, den Eindruck von "business as usual" zu erwecken.

Allerdings verlässt er sein Haus neuerdings durch den Hinterausgang. In den Abhörprotokollen ist - offenbar bei Gesprächen mit seiner Ehefrau - mehrmals der Satz zu finden: "Wir müssen einen Weg finden, wenigstens einen Teil des finanziellen Drucks von unserer Familie zu nehmen."

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