Korruptionsaffäre in der Türkei:Erdoğan wechselt 16 Polizeichefs aus

Lesezeit: 1 min

Recep Tayyip Erdoğan geht gegen Korruptionsermittlungen vor und entlässt weitere Polizisten. (Foto: Bloomberg)

Erst wurden 350 Polizisten gefeuert, nun versetzt die türkische Regierung mehrere Polizeichefs. Auch gegenüber der Justiz will Ministerpräsident Erdoğan seinen Einfluss ausbauen. Die EU-Kommission ist beunruhigt.

Die türkische Regierung geht weiter massiv gegen Korruptionsermittlungen in den höchsten Rängen der Politik vor. Der stellvertretende Chef der Landespolizei sowie die Polizeipräsidenten in 15 Provinzen sind laut Polizeiangaben von ihren Aufgaben entbunden worden. Darunter sind demnach auch die Polizeichefs der Hauptstadt Ankara sowie der Provinz Izmir.

Seit Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen Ende vergangenen Jahres wurden bereits Hunderte Beamte entlassen oder versetzt. Allein in der Hauptstadt Ankara waren in der Nacht zum Dienstag 350 Beamte vom Dienst enthoben worden.

Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan will damit die Bestechungsaffäre unter Kontrolle bringen, die den Regierungschef vor die größte Herausforderung seiner Amtszeit stellt. Angesichts der Ermittlungen wegen Korruption im Umfeld seiner Regierung wirft Erdoğan Justiz und Polizei vor, einen "Parallelstaat" gebildet zu haben. Einer der Vorwüfe Erdoğans an die Polizei lautet zudem, die Regierung nicht rechtzeitig über die Festnahmen informiert zu haben.

Am Dienstagabend brachte Erdoğans Partei AKP einen Gesetzentwurf ein, der der Regierung mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten geben soll. Nach dem Vorschlag soll ein Vertreter des Justizministeriums zum Vorsitzenden des Gremiums gewählt werden können, das seinerseits zentrale Stellen im Rechtssystem der Türkei besetzt.

Dieser "Hohe Rat von Richtern und Staatsanwälten" war Erdoğan ein Dorn im Auge, seit der Korruptionsskandal immer höhere Wellen schlug. Mitte Dezember waren überraschend Dutzende Verdächtige festgenommen worden, darunter ranghohe Politiker und Wirtschaftsführer aus dem Umfeld Erdoğans. Auch gegen die Söhne von drei Ministern wurden Ermittlungen wegen Bestechung eingeleitet, woraufhin Erdoğan im Zuge einer Kabinettsumbildung die Minister austauschte.

Die EU ist beunruhigt

Hintergrund der Ermittlungen ist offenbar ein Machtkampf zwischen der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) und der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Die Bewegung soll besonders in Justiz und Polizei über Einfluss verfügen. Erdoğan bezeichnet den Skandal seit Anbeginn als ausländische Verschwörung, um seine Regierung zu schwächen.

Die EU-Kommission äußerte sich "beunruhigt" über die Entwicklungen in der um einen Beitritt bemühten Türkei. Die Versetzung zahlreicher Polizisten drohe, die laufenden Ermittlungen zu schwächen und die Unabhängigkeit von Justiz und Polizei zu beeinträchtigen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Die Ermittlungen in der Korruptionsaffäre müssten "unparteiisch und transparent" geführt werden.

© Süddeutsche.de/Reuters/AFP/ebri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: