Boykotte bringen nichts. Wie eine Monstranz tragen Fußballfunktionäre diesen Lehrsatz vor sich her. Nur: Woher weiß man, dass Boykotte nichts bringen, wenn man sie immerzu kategorisch ausschließt? Tatsächlich gäbe es mehrere Gründe für Deutschland, England und andere, 2018 nicht zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Russland zu fahren. Oder wenigstens - ernsthaft - mit Nicht-Hinfahren zu drohen.
Der erste Grund ist die russische Aggression in der Ostukraine. Zwar will sich der globale Sport nicht in regionalpolitische Konflikte hineinziehen lassen. Das ist verständlich, selbst wenn der Sport seinerseits permanent politisch instrumentalisiert wird.
Der zweite Grund ist das aktuelle Ringen um Reformen im Welt-Fußballverband Fifa. Da geht es nicht um Politik. Sondern darum, ob sich die Hauptakteure - Europas Verbände und Profi- Ligen - von Sepp Blatters Seilschaften weiter ohne Gegenwehr in ein korruptes System spannen lassen. "Rührt nicht an der Weltmeisterschaft", flehte Blatter nach seiner Wiederwahl. Er weiß, warum das seine größte Angst ist.
Es wäre deshalb richtig, würden Europas Vertreter zumindest eine Boykottabsicht beschließen, verbunden mit klaren Forderungen. Von der Absicht zum tatsächlichen Boykott wäre es noch weit - aber sie brächte endlich Druck in den Reformprozess. Wer Boykotte ausschließt, nimmt sich jede Möglichkeit zu gestalten.