Korea-Krieg:"Am Morgen flog alles in die Luft"

Der notorische 38. Breitengrad: Vor 60 Jahren kämpften bei Unsan erstmals chinesische gegen amerikanische Truppen - der Koreakrieg eskalierte. Eine Geschichtsstunde.

Kurt Kister

Ende Oktober 1950 schien die Sache gelaufen zu sein. Amerikaner und Südkoreaner hatten Pjöngjang, die Hauptstadt des Nordens, erobert und waren drauf und dran, bis zum Yalu vorzudringen, dem Grenzfluss zu China. General Douglas MacArthur, der in Tokio residierende Oberkommandierende der US- Truppen, ließ schon die Siegesparade planen. MacArthur war, noch vor dem 1945 tödlich verunglückten General George Patton, Amerikas eitelster Militärführer im 20. Jahrhundert. Er konnte sich kaum vorstellen, dass sein Siegeszug in Korea noch aufzuhalten war.

Warren Rosengren

Ein amerikanischer Offizier verhört einen gefangenen chinesischen Soldaten. Einen Tag später attackierten die Chinesen die US-Truppen und überrannten ein ganzes Regiment.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Doch ein paar Tage später, am 1. November 1950, geschah genau das: Nahe dem nordkoreanischen Ort Unsan wurde der US-Vormarsch gestoppt, nicht von nordkoreanischen, sondern von regulären chinesischen Truppen, die dort erstmals auf amerikanische Einheiten stießen - und diese kurz und klein schlugen. Das Gefecht bei Unsan, so schreibt der Journalist David Halberstam in "The Coldest Winter", seinem opulenten Buch über den Koreakrieg, "machte es möglich, dass aus einem kleineren Krieg ein größerer wurde".

Der Koreakrieg war der blutigste jener Bürger- und Kleinkriege, die in den ersten Jahren nach 1945 als Folge der Neuordnung der Welt in Ost und West geführt wurden. Nach der Vertreibung der Kolonialmacht Japan hatten Amerikaner und Sowjets 1945 die koreanische Halbinsel geteilt, die Demarkationslinie bildete schon damals der bis heute notorische 38. Breitengrad. Während im Süden der von den USA gestützte Diktator Singman Rhee herrschte, regierte im Norden mit stalinistischer Gewalt Kim Il Sung.

Im Juni 1950 eskalierten die Spannungen zwischen Nord und Süd. Nordkoreanische Truppen überschritten den 38.Breitengrad und stießen auf eine zunächst wenig kampfkräftige südkoreanische Armee sowie auf schwache US-Verbände. Alsbald standen die roten Truppen tief im Süden, Seoul fiel, Südkoreaner und Amerikaner wurden in einem Brückenkopf um die Hafenstadt Pusan zusammengedrängt.

Dann aber wendete sich das Blatt. Der UN-Sicherheitsrat, der zu jener Zeit von den Sowjets boykottiert wurde, verurteilte die Invasion Nordkoreas und rief die UN-Mitgliedsstaaten zur militärischen Hilfe für Südkorea auf. Es landeten Truppen aus vieler Herren Länder auf der Halbinsel; vor allem aber schickten die Amerikaner substantielle Verstärkungen. Mitte September gingen US-Marineinfanteristen und Heeressoldaten bei Inchon, tief im Rücken der Nordkoreaner, an Land. Diese Invasion brachte die erste Kriegswende. Binnen kurzer Zeit eroberten die Alliierten die gesamte Halbinsel zurück; im Oktober 1950 standen sie defacto an der chinesischen Grenze.

Bis dahin hatten die Nordkoreaner zwar massive Materialhilfe von Sowjets und Chinesen erhalten. Russische und chinesische Piloten flogen Einsätze, es kämpften "Freiwillige" im nordkoreanischen Heer, aber es war noch nicht zur offenen Konfrontation zwischen den westlichen Truppen und Maos Soldaten gekommen. Dies sollte sich ändern, kurz bevor General Douglas MacArthur dachte, der Krieg sei gewonnen.

Am 20. Oktober 1950 waren die ersten amerikanischen Einheiten in Pjöngjang eingezogen. Sie gehörten zur 1. Kavalleriedivision, die zwar nicht mehr zu Pferde kämpfte, sondern in Panzern und Halbkettenfahrzeugen. Trotzdem fühlten sich die motorisierten Infanteristen in der Tradition jener Waffengattung, als deren Angehörige sie einst den Westen Amerikas mit Forts überzogen und gegen die Indianer Krieg geführt hatten. Am 25. Oktober kamen Nachrichten von der Front, wonach südkoreanische Truppen in große Bedrängnis geraten waren. In MacArthurs Hauptquartier in Tokio nahm man an, es handele sich bei den Angreifern um die Reste der in den Norden getriebenen Einheiten Kim Il Sungs. Selbst als Gefangene berichteten, sie seien Angehörige der chinesischen Armee und es stünden Tausende, ja Zehntausende Chinesen bereit, wollte vor allem MacArthurs Feindaufklärungschef, Oberstleutnant Charles Willoughby, daran nicht glauben. Der deutschstämmige Willoughby, 1910 als Adolf Karl Weidenbach in die USA eingewandert, hielt den Feind für besiegt und die Chinesen für viel zu schwach, als dass sie noch eine Wende herbeiführen könnten. MacArthur folgte Willoughbys Einschätzung, was eindeutig ein Fehler war.

Denn tatsächlich waren die Chinesen in großer Zahl nach Korea eingesickert. Mao sah die mögliche Niederlage seines nordkoreanischen Verbündeten Kim Il Sung als Bedrohung für China. Ende Oktober ergriffen die Chinesen daher die Initiative gegen die vorrückenden westlichen Alliierten: In der Nacht vom 1. auf den 2. November 1950 kam es dann zum ersten Gefecht zwischen Amerikanern und Chinesen. Es endete für die US-Kavallerie verheerend.

Die Soldaten vom 8. Regiment waren bei Unsan unter Feuer liegenden südkoreanischen Truppen zu Hilfe gekommen. Schon am Nachmittag des 1. November hatte ein Artilleriebeobachter in einem Flugzeug dem Divisionskommando der US-Kavallerie gemeldet, dass zwei große Kolonnen feindlicher Infanterie auf dem Weg nach Unsan seien und trotz heftigen Beschusses durch amerikanische und südkoreanische Artillerie weiter marschierten. Der US-Divisionskommandeur General Hobart Gay bat beim höheren Korpskommando darum, sein exponiertes 8. Regiment zurücknehmen zu dürfen. Dies wurde ihm verweigert.

"Gegen halb zwei am Morgen des 2. Novembers flog alles in die Luft", schreibt Halberstam. Die Chinesen überrannten das Regiment. Etwa ein Drittel der Kavalleristen fiel, wurde verwundet oder geriet in Gefangenschaft. Vom 3. Bataillon des Regiments, das im Zentrum des Angriffs stand, kamen nur 200 Mann, ein Viertel, zu den amerikanischen Linien zurück. Der erste Zusammenprall von Chinesen und Amerikanern endete mit einem Desaster für die US Army.

Nach der chinesischen Intervention verloren die westlichen Truppen in der ersten Hälfte des Jahres 1951 fast den kompletten Norden wieder. Zwei Jahre lang standen sich danach Nord und Süd in einem weitgehend bewegungslosen Stellungskrieg gegenüber. Der Krieg endete erst im Juli 1953 mit einem Waffenstillstand und der Schaffung der sogenannten Demilitarisierten Zone (DMZ). Sie verläuft am 38. Breitengrad - dort wo der Krieg einst begann.

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