Interview am Morgen:"Wir haben geweint vor Glück"

Donald Trump, Kim Jong Un; Kim Trump

Beim historischen Treffen in Singapur gibt US-Präsident Donald Trump dem nordkoreanischen Regime-Führer Kim Jong-un positive Singale.

(Foto: AP)

Christine Ahn kämpt seit Jahren für Frieden auf der Koreanischen Halbinsel. Anders als viele glaubt sie daran, dass Trump und Kim Jong-un gerade eine neue Ära einleiten.

Interview von Thorsten Denkler, New York

Trumps Außenpolitik, für viele ist das ein einziges Fiasko. Statt mit seinen westlichen Verbündeten Lösungen zu finden, hofiert der US-Präsident lieber Diktatoren wie den nordkoreanischen Regime-Führer Kim Jong-un. Die US-Amerikanerin Christine Ahn glaubt dennoch, dass der Korea-Gipfel vor einer Woche der Beginn eines nachhaltigen Friedensprozesses sein kann. Sie kämpft seit Jahren für Frieden auf der Koreanischen Halbinsel, ist ständiger Gast bei wichtigen US-TV-Sendern und hat unter anderem den Think Tank "Korean Policy Institute" und die Bewegung "WomenCrossDMZ" (Frauen überschreiten die DMZ) gegründet. DMZ steht für die entmilitarisierte Zone, die die Grenze zwischen Nord- und Südkorea markiert. Christine Ahn gibt das Interview am Telefon, an ihrem Wohnort auf Hawaii.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

SZ: Frau Ahn, Sie haben sich in einem Tweet am Tag des Korea-Gipfels von US-Präsident Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vor einer Woche dazu bekannt, mit einer befreundeten Überläuferin aus Nordkorea Tränen des Glücks geteilt zu haben. Was macht das Treffen für Sie so emotional?

Christine Ahn: Meine Familie stammt von der Koreanischen Halbinsel. Und seit ich realisiert habe, was das auch für mich bedeutet, kämpfe ich mit vielen anderen dafür, dass es endlich Frieden gibt. So nahe wie am Tag des Gipfels waren wir dem Frieden lange nicht.

Christine Ahn

Christine Ahn, Gründerin der Bewegung WomenCrossDMZ, die 2015 mit vielen Frauen die Grenze zwischen Nord- und Südkorea überquert hat.

(Foto: privat)

Viele Menschen in Deutschland und sicher auch in den USA sind skeptisch, was die Ergebnisse angeht. Sie nicht. Warum?

Die Trump-Administration scheint tatsächlich zu verstehen, warum die vergangenen Vereinbarungen mit Pjöngjang gescheitert sind. Sie hat etwa verstanden, dass Nordkorea die Sicherheitsgarantien, die jetzt in der Deklaration vereinbart wurden, wirklich braucht, bevor das Land anfängt, seine Atomwaffen aufzugeben. Das kann der Anfang einer neuen Ära sein. Es ist erkennbar, dass Nordkorea Wachstum und Wohlstand will, dass es Frieden will.

In dem Papier, das Trump und Kim Jong-un unterzeichnet haben, steht allerdings kaum etwas Belastbares drin.

Natürlich, das Papier ist dünn. Der Geist aber, in dem das alles gerade geschieht, ist doch viel wichtiger. Donald Trump hat etwas völlig Neues getan. Er hat etwa die halbjährlichen, gemeinsamen Großmanöver der USA mit Südkorea "Kriegsspiele" genannt, sie seien eine "Provokation für Nordkorea". Das hat noch kein US-Präsident zuvor so klar anerkannt. All das zusammen zeigt mir, dass die Trump-Administration verstanden hat.

Trump war es alleine?

Der signifikante Faktor in dem Prozess ist in der Tat Südkorea mit Präsident Moon Jae-in. Er hat die tiefe Sehnsucht der Südkoreaner nach Frieden erkannt. Sie wollen ein Ende des Krieges.

Warum sollte die westliche Staatengemeinschaft Kim Jong-un trauen?

Die Frage sollte andersherum gestellt werden: Warum sollte Nordkorea den Vereinigten Staaten trauen? Das Rahmenabkommen von 1994 ist doch auch daran gescheitert, dass der damalige Präsident Bill Clinton es nicht durch den von den Republikanern kontrollierten Kongress bekommen hat.

Dennoch: Kim Jong-un hat ehemalige Vertraute umbringen lassen. Sein Volk hat nach wie vor kaum etwas zu essen wegen der massiven Militärausgaben. Die Atomwaffen sind seine Überlebensgarantie. Angenommen, Trump wäre zu trauen, was nicht gesichert ist, nochmal die Frage: Warum hat Kim Jong-un Vertrauen verdient?

Weil das nicht einfach ist, kann der Prozess nur Schritt für Schritt vorangehen. Schlüssel zu allem ist die Regierung von Südkorea. Die hat seit Jahren sehr enge Kontakte zur nordkoreanischen Führung. Und viele von denen, die die so genannte Sonnenschein-Politik verfolgt haben, sind jetzt an der Macht in Südkorea. Das lässt hoffen.

Trump hat auf die Frage nach Menschenrechten in Nordkorea sofort die sterblichen Überreste US-amerikanischer Soldaten angesprochen, die jetzt bald in die USA überführt werden sollen. Sie haben das explizit begrüßt. Warum?

Wenn es um Frieden geht, müssen auch die Hinterbliebenen eine Chance bekommen, mit dem Krieg abzuschließen. Als ein Freund von mir vor zwei Jahren im Rahmen einer Delegationsreise in Pjöngjang gelandet ist, sagte er mir, so nahe sei er seinem Vater nicht mehr gekommen, seit er drei Jahre alt war. Damals ist sein Vater in den Krieg gezogen. In den USA warten etwa 5000 Familien darauf, ihre Väter und Großväter endlich beerdigen zu können, die im Korea-Krieg gefallen sind.

Was ist der Unterschied zwischen Kim Jong-un und seinem Vater Kim Jong-il?

Zum einen sind die Umstände völlig andere als zu Zeiten von Kim Jong-il. Nicht nur, dass das Land in der Lage war, Atomwaffen zu entwickeln. Es hat auch ökonomisch Fortschritte gemacht. Als Kim Jong-il an die Macht kam, war das Land am Boden. Er hat dennoch das Militär an erste Stelle gesetzt. Zum anderen: Kim Jong-un setzt sehr viel stärker auf ökonomische Verbesserungen. Und er hat realisiert, dass die Entwicklung von Atomwaffen der einzige Weg aus der Isolation ist. Es ist leider so: Ohne Atomwaffen hätte Nordkorea keine Chance, wieder in die internationale Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden. Und hätte es Trumps Politik des maximalen Drucks nicht gegeben, gäbe es vielleicht die jetzige Bewegung auch nicht.

Auch Deutschland hat eine Wiedervereinigung hinter sich. Wäre das nicht auch ein Modell für die Koreanische Halbinsel.

Ich glaube nicht. Und die Mehrheit der Menschen in Südkorea - wie sicher auch in Nordkorea - will keine Vereinnahmung des anderen Staates. Beide Nationen sind jetzt seit über 70 Jahren getrennt. Das sind drei Generationen. Die Menschen auf beiden Seiten haben sehr unterschiedliche Entwicklungen mitgemacht. Unser Ziel ist, dass beide Staaten in friedlicher Nachbarschaft existieren können, dass die Menschen sich zwischen beiden Staaten frei bewegen können. Alles andere muss die Zukunft zeigen.

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