Koptische Christen in Deutschland:Gottesdienst in Angst

Nach dem Anschlag auf ihre Glaubensbrüder in Ägypten fürchten auch Deutschlands Kopten Angriffe auf ihre Weihnachtsmessen - trotz Polizeischutz. Im Internet gab es eine islamistische Drohung.

Jan Bielicki, Susanne Höll und Marc Widmann

Es gibt keinen konkreten Hinweis auf ein Attentat, sagen die Sicherheitsbehörden, aber für Vater Pigol Bassili ist das, was vor ihm auf dem Tisch liegt, konkret genug. In Arabisch ist der Aufruf verfasst, Bassili hat ihn ausgedruckt von einer islamistischen Internetseite. Er liest den Koranvers vor, der zum Kampf gegen Ungläubige aufruft, er zeigt auf die bebilderte Anleitung zum Bombenbau aus einer Coladose, dann auf die lange Liste von Anschlagszielen: "Da, die Nummer sechs, das ist unsere Sankt-Markus-Kirche in Frankfurt."

Koptisch-Orthodoxe Kirche in Frankfurt am Main

Auch die Kopten in Deutschland sind unruhig: Vater Pigol Bassili in der Frankfurter Sankt-Markus-Kirche.

(Foto: dapd)

Am Donnerstagabend, wenn die koptischen Christen ihren Weihnachtsgottesdienst feiern, wird der 75-jährige Priester kürzer singen lassen als sonst, alles straffer gestalten, "damit die Gäste weniger Angst haben". Auch andernorts werden Feiern abgesagt oder verkürzt. Junge Gemeindemitglieder sollen in Frankfurt die Besucher kontrollieren, die Polizei wird die umliegenden Straßen für Autos sperren.

Vater Bassili stammt selbst aus Alexandria, der Hafenstadt in Ägypten, wo Islamisten in der Silvesternacht mindestens 21 Kopten töteten, und wo die Polizei am Dienstag den mutmaßlichen Attentäter identifizierte. "Ich habe keine Angst", sagt er, "aber Frauen und Kinder in unserer Gemeinde schon."

Der Polizeischutz für die Gottesdienste in den nächsten Tagen ist die einzige konkrete Unterstützung, die deutsche Stellen den verängstigten Kopten bieten können. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gibt es keine neuen Hinweise auf bevorstehende Attentate. Die "krude Warnung" im Netz, wie es heißt, entdeckten die Fahnder am 24. Dezember. Daraufhin warnten sie die hiesigen Gemeinden. In den Niederlanden haben sogar muslimische Organisationen den Kopten angeboten, deren Kirchen gegen terroristische Übergriffe mit zu schützen.

Den bedrohten koptischen Christen in Ägypten indes kann und will Deutschland keine handfesten Hilfen leisten, wie Regierungsvertreter deutlich machten. Die Entwicklungshilfe von 190 Millionen Euro, die im Sommer für zwei Jahre vereinbart wurde, wird nicht angetastet. Es gebe in Ägypten keine staatlich betriebenen, systematischen Menschenrechtsverletzungen, heißt es.

Über Sanktionen gegen Ägypten denkt in Berlin ohnehin niemand nach, schließlich gilt es im Vergleich zu anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens als Land, mit dem man reden kann. Auch ist Ägypten ein wichtiger Partner des Westens bei der Suche nach Frieden im Nahen Osten. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, dass sich der Beitrag der deutschen Politik zum Schutz der in vielen Ländern verfolgten Christen meist auf Mahnungen und Appelle beschränkt.

In Deutschland leben 6000 bis 7000 koptisch-orthodoxe Christen. Der weitaus größte Teil ist aus Ägypten eingewandert oder hat ägyptische Wurzeln - die Kopten bilden schließlich Ägyptens Nationalkirche. In Deutschland haben sie sich seit 1975 organisiert. 1980 kauften sie ein Gelände im hessischen Kröffelbach, wo Mönche aus Ägypten ein Kloster gründeten. Bischofssitz ist jedoch das Kloster der Heiligen Jungfrau Maria und des Heiligen Mauritius im westfälischen Brenkhausen. Die meisten Kopten im Land leben in Großstädten wie Frankfurt oder Düsseldorf.

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