Kooperation von Geheimdiensten:Immerwährende Freundschaft

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CIA und BND waren schon immer die besten Freunde. Ausgerechnet der Gründer des deutschen Auslandsgeheimdienstes versorgte die USA nach dem Zweiten Weltkrieg mit Informationen - und er war nicht der Einzige, der eifrig zuarbeitete.

Von Willi Winkler

Wer durch die Heilmannstraße im Münchner Isar-Vorort Pullach fährt, wird nicht nur von einem betonharten, zweifellos hoheitlichen Bundesadler abgeschreckt, sondern auch davor gewarnt, die oben mit Stacheldraht bewehrten Außenmauern zu fotografieren. Dahinter befindet sich die ehemalige "Reichssiedlung Rudolf Heß", in der seit 1947 der deutsche Auslandsgeheimdienst residiert. Sein Gründer Reinhard Gehlen war noch über das Ende seiner Dienstzeit 1968 hinaus um äußerste Klandestinität bemüht. Seine Leute hatten die Augen und Ohren überall, sollten aber selber möglichst unsichtbar bleiben.

Bei Gehlen wäre es undenkbar gewesen, dass, wie Ende Juni geschehen, ein Geheimer an der Pforte des Bundesnachrichtendienstes in Pullach vorgefahren wäre, mit einem Mercedes Cabrio zweifellos als Musteragent ausgewiesen, die Sonnenbrille so sportlich hochgeschoben, dass sie womöglich doch von dem ordentlichen Bauchansatz ablenkte, und sich mit schaukelndem Schritt auf die Wächter am Eingang zubewegte. Nach seinem Namen wurde der Agent gefragt, den er auch gehorsam nannte, doch leider konnte ihn der Pförtner auf seiner Besucherliste nicht finden. "Anderer Name?", fragte der Pförtner, denn er wollte helfen, und der Agent nannte auch den anderen. Dann wurde er doch noch eingelassen. Ah, die gute alte Agentenherrlichkeit! Aber vielleicht ist eine solche Farce im Zeitalter nach den gloriosen Tagen von James Bond nur der Normalfall.

Drei Männer, die ihr Wissen an die Sieger verkaufen wollten

Das war natürlich nicht immer so. Männer, heißt es, machen Geschichte, und vielleicht stimmt das sogar manchmal. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es im besiegten Deutschland drei Männer, die ihr Wissen, ihre Kenntnisse und ihre Begabung, das, womit sie es im Dritten Reich zu Ruhm und Ansehen gebracht hatten, an die Sieger verkaufen wollten.

Der Rüstungsminister Albert Speer wusste genau Bescheid über die industriellen Ressourcen Deutschlands und hatte bereits die Pläne fertig, um das zerstörte Land wieder aufzubauen. Zu seiner Überraschung konnten die Amerikaner ihn aber gar nicht brauchen. Er wurde in Nürnberg zu 20 Jahren Haft verurteilt und musste sich damit begnügen, seinen Biografen das Braune vom Himmel herunter zu erzählen.

Dafür verwandelte der NSDAP- und SS-Angehörige Wernher von Braun seine Erfahrung im Bau von mörderischen Fernlenkwaffen in die beste denkbare Friedensdividende, denn es waren seine Raketen, die 1969 die ersten Amerikaner auf den Mond schossen.

Der dritte Mann war Generalmajor Reinhard Gehlen. 1945 offerierte er den Amerikanern die Informationen, die er als Abwehrchef im Dienst seines Oberbefehlshabers Adolf Hitler über Osteuropa gesammelt hatte. Seine neuen Freunde flogen ihn nach Washington, schöpften ihn ab, aber wussten doch, dass Gehlen über Kenntnisse verfügte, auf die sie im aufbrechenden Kalten Krieg nicht verzichten konnten. Seine Organisation, in der zunächst vor allem die alten Kameraden aus der Wehrmacht, aber auch einige Dutzende ehemalige SS- und Gestapo-Angehörige Unterschlupf fanden, erhielt erst den Code-Namen "Rusty", später "Zipper". Gehlen selber wurde mit dem wenig schmeichelhaften Tarnnamen "Utility" versehen. Für die Amerikaner war er genau das, ein "Versorger".

"Organisation Gehlen"

Das amerikanische Verteidigungsministerium ließ sich den Zuarbeiter einiges kosten. In den Schwarzmarktjahren wurde er mit allem versorgt, was begehrt war. Als 1947 ein eigenständiger amerikanischer Geheimdienst entstand, die CIA, wurde ihr die Betreuung Gehlens und seiner Leute zugeschoben. Verantwortlich dafür war James Critchfield, der manchmal die Hände über dem Kopf zusammenschlug, weil Gehlen ungerührt auf die berüchtigten Kräfte von früher zurückgriff - aber gegen dessen Selbstbewusstsein kam er nicht an. Für ihn sei klar, schrieb der ehemalige General seinen Aufpassern, dass sich eine mechanische Übernahme amerikanischer Methoden bei ihrer Arbeit verbiete.

So kam es, dass von 1949 an, dem Jahr, in dem die Bundesrepublik gegründet wurde, ein zunächst als "Organisation Gehlen" getarnter deutscher Geheimdienst entstand, bei dem die amerikanischen Millionen dafür sorgen sollten, dass "weder Gehlen noch einer seiner Untergebenen ihre hochgradig nationalistische Geheimorganisation gegen den Westen ausrichten würden", wie der Zeithistoriker Timothy Naftali freundlicherweise feststellt.

Dickopf petzt beim größeren Bruder

Gehlens Organisation, die erst 1956 unter die Aufsicht der deutschen Bundesregierung gestellt wurde, allerdings ohne sich je vollständig von ihren großzügigen Paten in Übersee zu emanzipieren, war nicht die einzige, die von der CIA kontrolliert wurde. Mit der Legende, er sei desertiert, reiste 1943 der SS-Untersturmführer Paul Dickopf in die Schweiz aus und suchte Kontakt zur US-Botschaft in Bern. 1947 kehrte er als Vertrauensmann der Amerikaner nach Deutschland zurück und bereitete seinen Aufstieg in der neuen Kriminalpolizei vor. Als Konrad Adenauer und seinem Aufbau-Berater Hans Globke doch Bedenken wegen der vielen alten SS-Leute in den neuen Behörden kommen, petzt Dickopf beim größeren Bruder: Er habe sich veranlasst gesehen, notiert er in schönstem Sachbearbeiter-Deutsch, "die amerikanische Militärregierung von der Auffassung des Bundeskanzlers zu unterrichten".

Dickopfs Ehrgeiz lässt sich mit Hilfe seiner Freunde leicht befriedigen. Im Bundeskriminalamt wird er ständiger Stellvertreter des Präsidenten und 1965 selber Chef. In seinem kunstledergebundenen Taschenkalender berechnet er jedes Jahr mit Kugelschreiber die aus seinem Einkommen erwachsenden Rentenansprüche; die monatlichen Leistungen, die der Verräter aus Washington bezieht, werden da allerdings nicht verzeichnet. Die CIA führt ihn unter dem Tarnnamen "Caravel". Die Amerikaner schätzen seine Loyalität, und sie stören sich auch nicht daran, dass er die Suche nach untergetauchten Kriegsverbrechern wie Adolf Eichmann lieber unterlässt. 1968 wird Dickopf zusätzlich zum Interpol-Chef gewählt; die regelmäßigen Treffen auf internationaler Ebene erlauben eine unauffällige Kontaktpflege. Als Dickopf 1973 stirbt, zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem BKA, gedenkt man im CIA-Hauptquartier in stiller Dankbarkeit der "produktiven und angenehmen Beziehung mit Caravel".

Das sind alles Geschichten aus grauer Vorzeit, als die Bundesrepublik Deutschland sich noch kaum das Recht auf Eigenstaatlichkeit erworben hatte. Heute wäre ein solches Aushorchen natürlich völlig unmöglich.

© SZ vom 12.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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