Konvent für Deutschland:"Forget it"

Ein Think-Tank von Polit-Pensionären will die Republik retten. Doch die nicht mehr ganz frischen Ideen aus dem Konvent will keiner mehr hören.

Thorsten Denkler, Berlin

Vorne stehen die, die glauben zu wissen, wie Deutschland noch zu retten ist. Alt-Bundespräsident Roman Herzog palavert mit Ex-Wirtschaftskapitän Hans-Olaf Henkel. ZDF-Moderator und Buchautor Peter Hahne flötet ein an Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel gerichtetes: "Ich grüüüße Sie ganz herzlich." Rupert Scholz, einstmals Verteidigungsminister in der Kohl-Regierung ist im Zwiegespräch mit Klaus von Dohnanyi versunken, ehemals Erster Bürgermeister von Hamburg.

Konvent für Deutschland: Comeback-Pressekonferenz einer einst semiberühmten Rockband? Roman Herzog will die "Reform der Reformfähigkeit", hat aber keine Rezepte.

Comeback-Pressekonferenz einer einst semiberühmten Rockband? Roman Herzog will die "Reform der Reformfähigkeit", hat aber keine Rezepte.

(Foto: Foto: dpa)

Diese sechs und 14 weitere gewesene und sich als solche fühlende Großkopferte des bundesrepublikanischen Politikbetriebes stehen vor der Bühne im Ballsaal den Berliner Nobelhotels Adlon. Der "Konvent für Deutschland", eine Art Think-Tank für Politpensionäre, hat zu einer Journalisten-Tagung eingeladen. Es geht um nicht weniger als um die "Reform der Reformfähigkeit".

Nicht mal Phoenix überträgt

Die Resonanz ist nicht ganz so, wie es sich der Initiator des Konvents Roman Herzog gewünscht hat. Der hatte vor Jahren an dieser Stelle mit seiner Ruck-Rede noch zumindest ein mediales Ruckeln erzeugen können. Heute sind von den gut 100 Plätzen kaum ein Drittel besetzt. Nicht mal Phoenix überträgt, was der Nachrichtensender sonst immer macht, wenn mindestens ein schlauer Kopf der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen hat. Ein bisschen wirkt die Veranstaltung so, wie die gescheiterte Comeback-Pressekonferenz einer einst semiberühmten Rockband.

Umso größer sind die Themen, die an diesem Tag behandelt werden sollen. Das Fünf-Parteien-System und die Folgen, den Einfluss der Bürger auf die Politik, effektive Staatsorganisation, Volksabstimmungen.

Roman Herzog macht vor den spärlich besetzten Reihen den Aufschlag. Er stellt einen "schleichenden Zerfall der großen Volksparteien" fest, es schwinde die Gewissheit, dass das Kreuz auf dem Wahlzettel am Ende für eine bestimmte Konstellation stehe.

"Die über Jahrzehnte hin berechenbaren und auch gewohnten Muster der Regierungsbildung verlieren ihre Gültigkeit." Drei-Parteien-Koalitionen würden in Zukunft eher die Regel als die Ausnahme sein. Ist so, lässt sich auch nicht ändern. So weit die Analyse.

Drei Hauptprobleme macht Herzog aus: Den Bundesrat zum einen, in dem künftig zu viele Parteien mitmischen werden. Dann die Macht der Parteien. Sie hätten die staatliche Willensbildung "praktisch monopolisiert", sagt Herzog. Die Balance zwischen Bürgermacht und Parteienmacht sei in Richtung Parteien verrutscht.

Und zum Dritten das Wahlrecht. Die Bürger hätten zu wenig Einfluss auf die Auswahl des politischen Personals. "Wer zum Spiel zugelassen wird, bestimmen die Parteien", stellt Herzog fest.

Erstaunliche Ideenlosigkeit

In der anschließenden Podiumsdiskussion tauchen diese Themen alle wieder auf. Wohl in der Hoffnung, das die wenigen anwesenden Journalisten die Konvent-Ideen auch wirklich aufnehmen. Andererseits gibt die Debatte auch eine erstaunliche Ideenlosigkeit wieder, wie die Probleme gelöst werden könnten.

Klar, mehr plebiszitäre Elemente bitte. Aber darüber wird seit Jahrzehnten diskutiert, ohne das etwas passiert wäre. Parteien sollten doch ihre Kandidaten in Mitgliederbefragungen bestimmen und nicht auf Parteitagen, was die Macht wieder in Richtung Bürger verschieben würde. Auch nicht neu. Und von den Parteien nicht gewünscht, sie hätten es sonst längst gemacht.

Bleibt eine Reorganisation des politischen Systems. Breit diskutiert wird die Rolle des Bundesrates. Klaus von Dohnanyi (SPD) möchte ihn offenbar praktisch abschaffen. Erwin Teufel (CDU) schlägt vor, Stimmenthaltungen sollen im Bundesrat nicht mehr zählen. Bisher wirken die de facto wie Neinstimmen. Das würde den zunehmenden Einfluss kleinerer Koalitionspartner in Landesregierungen auf die Bundespolitik erheblich verringern. Andere plädieren dafür, die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern noch stärker voneinander abzugrenzen um den gleichen Effekt zu erzielen.

Die Diskussion geht etwas hin und her, was alles gehen müsste und was es da alles für tolle Ideen gibt, den Staat im Fünf-Parteien-System handlungsfähig zu halten.

Akute Folgenlosigkeit

Es ist Otto Graf Lambsdorff der als Vertreter der FDP in aller Kürze klarmacht, dass das alles schöne Wunschträume sind, die aber wohl dem Realitätstest nicht standhalten. Die kleinen Parteien würden schon deshalb nicht mitmachen, weil das eine "Machtfrage" sei. Keine der kleineren Parteien würde diese Macht freiwillig aus der Hand geben. "Forget it", sagt er mit einer abwehrenden Handbewegung.

Im Grunde könnte die Diskussion an dieser Stelle wegen akuter Folgenlosigkeit beendet werden. Aber die Konvent-Teilnehmer wollen noch länger reden, die Themen vertiefen, sich weiter öffentlich austauschen über Ideen, die sie doch seit Jahren schon wirkungslos ausdiskutiert haben müssten. Nur geht ihnen dabei gerade die Öffentlichkeit flöten. Nach und nach verschwinden die Journalisten. Die dürften an diesem Tag vielleicht doch noch anderes zu tun haben, als einem Polit-Klub der Ehemaligen zu lauschen, deren Ideen mit der Zeit auch nicht frischer geworden sind.

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