Kontrollgremium zur NSA-Spähaffäre:Union und FDP lehnen Steinmeier-Auftritt vorerst ab

Eigentlich wollte sich der SPD-Fraktionschef noch heute vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zu den Vorwürfen gegen ihn äußern. Die Koalition scheint von Steinmeiers Ankündigung überrumpelt worden zu sein - und lässt ihn erst mal schmoren. Steinmeier hat damit aber jetzt schon einem Merkel-Vertrauten die Schau gestohlen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Hans-Peter Uhl wendet sich grinsend ab. Der CSU-Mann hat gehört, was sein SPD-Kollege Thomas Oppermann gerade vor Beginn der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) gesagt hat. Es ist ein kleiner Coup. Auf Oppermanns Einladung nämlich werde er, wenn das Gremium einverstanden ist, heute SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit hineinnehmen in die Sitzung. Ein Wendung, die wohl auch Uhl überrascht, der Mitglied des PKGr ist.

Im Kontrollgremium soll die Spähaffäre aufgeklärt werden. Vor allem geht es darum, ob und in welchem Umfang die Bundesregierung Kenntnis davon hat, wie der amerikanische Militärgeheimdienst NSA mit den Computerprogrammen Prism und Tempora womöglich Daten deutscher Bürger massenhaft ausspioniert. Und ob da überhaupt etwas dran ist.

Seit einigen Tagen steht auch Steinmeier im Fokus. Er soll als Geheimdienstkoordinator der rot-grünen Bundesregierung 2002 ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Dienste mit den USA unterzeichnet haben. Für die Regierungskoalitionen steht offenbar fest, dass damit der Grundstein für die heute in Frage stehenden Spähaktionen der Amerikaner gelegt wurde.

Ob sich Steinmeier vor dem Ausschuss erklären darf, muss aber zunächst der Ausschuss mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschließen. Ein Antrag der SPD, Steinmeier sofort zuzulassen, wurde abgelehnt. Es sei aber durchaus möglich, dass Steinmeier noch zum Zug komme, wenn die bisherige Tagesordnung abgearbeitet sei, heißt es.

Steinmeier selbst geht offenbar nicht mehr davon aus, dass die Koalitionsvertreter im Ausschuss seinem Auftritt noch zustimmen werden. Er finde es "ungeheuerlich", dass sein Angebot, zu Aufklärung beizutragen, abgelehnt worden sei, sagt er gegen Mittag vor Kameras. Die Bundesregierung kläre nicht auf, sie betreibe "Flucht vor der Verantwortung", sagt er. Aus der Ablehnung schließe er, dass die "persönliche Diffamierungen weiter fortgesetzt werden sollen".

Grosse-Brömer spricht von "Luftschlössern"

Steinmeier kurzfristig in das PKGr zu rufen, ist ein geschickter Schachzug der SPD. Dieser Montag hätte eigentlich der Tag des jetzigen Geheimdienstkoordinators und Kanzleramtsministers Ronald Pofalla sein sollen. Mit einem "allgemeinen guten Morgen", begrüßte dieser die Journalisten vor Beginn der Sitzung. Um dann vieldeutig mittzuteilen, die Bundesregierung sei in der Aufklärung einen "entscheidenden Schritt" weitergekommen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, will gar wissen, es scheine sich zu bestätigen, dass es eine millionenfache Ausspähung deutscher Daten womöglich "nicht gegeben habe". Er halte es vielmehr für wahrscheinlich, dass die Opposition allein aus wahlkampftaktischen Gründen "Luftschlösser aufgebaut" habe.

Die FDP will sich so weit nicht aus dem Fenster lehnen. Deren Obmann Hartfrid Wolff meldete am Morgen lediglich Aufklärungsinteresse an. Hans-Christian Ströbele von den Grünen hat da gezielteres Aufklärungsinteresse. Der BND habe einst versichert, dass er im Ausland nicht mehr als 2,4 Millionen Datensätze jährlich absauge und verarbeite. Zu Rede aber stünden jetzt 500 Millionen Datensätze. "Da passt was nicht zusammen", sagte Ströbele.

Aufgeschreckt hat die Abgeordneten auch die aktuelle Berichterstattung der SZ vom Wochenende. Die USA sollen demnach mit Hilfe von Handydaten, die der Bundesnachrichtendienst ihnen übergeben habe, womöglich gezielte Tötungen vorgenommen haben. In der Kritik steht dafür auch BND-Chef Gerhard Schindler, der sich mit der Anordnung der Weitergabe über Bedenken von Mitarbeitern hinweggesetzt habe.

Thomas Oppermann will deshalb in Erfahrung bringen, welche Mitarbeiter diese Bedenken geäußert hätten und diese dann vor den PKGr zitieren lassen. Ströbele, Oppermann, Wolff und der Linken-Politiker Steffen Bockhahn betonten übereinstimmend, dass die Weitergabe von Handydaten nicht zu gezielten Tötungen führen dürfte. Das sei grundgesetzwidrig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: