Konjunkturprogramm für Spanien:Manager statt Spekulanten

Spanien ist keine Industrienation: Diktator Franco machte aus den Spaniern ein Volk von Kellnern, EU-Milliarden befeuerten die Immobilienblase. Damit der Wandel gelingt braucht es kein Sparprogramm, sondern etwas ganz anderes.

Sebastian Schoepp

Spanien kann es schaffen, aber nicht so. Die neue Herabstufung der Bonität des Landes durch die Rating-Agentur Standard & Poor's war zu erwarten, sie ist folgerichtig. Die spanische Wirtschaft besitzt derzeit nicht die Struktur, um sich ohne fremde Hilfe zu erholen - jedenfalls nicht, wenn die dem Land auferlegte Sparpolitik in dieser Form fortgesetzt wird. Europäische Spitzenpolitiker sollten aufhören, die Mär zu verbreiten, dass ein Land wie Spanien sparen und wachsen zugleich kann. Das würde auch viel stärkere Volkswirtschaften überfordern.

Spanien war nie ein Industrieland. Es ist verspätet und stolpernd erst Ende des 19. Jahrhunderts in die merkantilen Strukturen des Westens eingetreten, blieb aber in großen Teilen agrarisch und feudal, einzig im Baskenland und in Katalonien entstanden funktionierende Industrien.

Die Isolation in der Franco-Zeit (1939 bis 1975) verfrachtete Spanien dann erneut aufs Abstellgleis der Geschichte. Seitdem haben die Spanier Enormes geleistet. Sie haben zwei Umwälzungen erlebt, die das Land in die Moderne katapultierten. Während die Demokratisierung mit Bravour bewältigt wurde, erweist sich der Umbau der Wirtschaft als schwieriger. Der Diktator Franco hatte auf Tourismus gesetzt und aus den Spaniern ein Volk der Kellner gemacht. Gleichzeitig stellte er die Gesellschaft nach dem Bürgerkrieg ruhig, indem er Wohneigentum förderte. Beides führte in den 60er Jahren zu enormer Bautätigkeit.

Die Milliarden, die nach dem EU-Beitritt nach Spanien flossen, sowie der Anstieg der Gehälter haben den Boom befeuert. Die Banken lockten mit geringen Zinsen und einer unseriösen Kreditvergabe - wer ein Haus wollte, bekam gleich noch Darlehen fürs Auto und den Flachbildschirm dazu aufgeschwatzt. Nach Sicherheiten wurde nicht gefragt. Die Bürger spielten naiv und fleißig mit, die Banken machten die Spanier zum Volk der Kleinspekulanten.

Als die Pyramide zusammenbrach, blieben überschuldete Haushalte, Millionen Arbeitslose und Banken zurück, die auf faulen Krediten und unverkäuflichen Schrott-Immobilien sitzen. Das Ausmaß der Bankenkrise wird erst deutlich werden, wenn diese Ausfälle realistisch berechnet sind. Die Kreditklemme erstickt nun den Rest der Wirtschaft, wie Aprilschnee die Knospen auf dem Balkon. Dabei gab es sehr gute Ansätze. Spanier sind erfolgreich im Management, in der Energiewirtschaft, der Telekommunikationsbranche, in der Textil- und Zulieferindustrie und im globalen Tourismus.

Spanien braucht gezielte Strukturhilfe und eine Reform des Bildungssystems

Was also braucht Spanien? Es braucht nach dem Kollaps des Bausektors gezielte Strukturhilfe, um seine Wirtschaft zu diversifizieren. Es braucht Unterstützung bei der Reform des Bildungssystems, um aus Kellnern und Spekulanten Techniker und Manager zu machen. Ererbte Muster müssen korrigiert werden, etwa die Geringschätzung des Handwerks, die der fortschrittsfeindliche Nationalkatholizismus hinterlassen hat.

Die jetzt heranwachsende Generation hat das Zeug dazu, den Mentalitätswandel zu stemmen, Anschluss an Wissenschaft und Forschung zu finden. Viele emigrieren, um zu lernen. Deutsche Betriebe preisen Schwung und Eifer junger Spanier, so sie einmal dem immobilen System entronnen sind. Sie werden zu Hause vorerst fehlen, aber sie werden zurückkehren, Spanier sind heimatverbunden.

Spanien braucht bei der Neuerfindung des Landes die Solidarität der europäischen Partner. Was es nicht braucht, sind Ungeduld und immer neue Sparzwänge. Denn eins ist klar: Das Land muss den Wandel schaffen, wenn der Euro-Raum überleben soll. Das wissen auch die Sparkommissare aus Brüssel und Berlin. Konjunkturprogramme und Strukturhilfen kosten Zeit und Geld - weniger jedoch als weitere Rettungsmilliarden, etwa für skandalös wirtschaftende Banken. Europa muss entscheiden, ob es den Euro-Raum in dieser Form will: Wenn ja, dann muss es bereit sein zu investieren.

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