Konjunkturgipfel in Berlin:Merkel, Manager und "zu viel Symbolik"

Suche nach Wegen aus der Krise: Vertreter großer Konzerne haben beim Konjunkturgipfel in Berlin eine Selbstverpflichtung in Aussicht gestellt, 2009 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Konkrete Beschlüsse gab es nicht - dafür aber scharfe Kritik an Kanzlerin Merkel.

Angesichts der schweren Wirtschaftskrise stellen die großen deutschen Konzerne den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen im kommenden Jahr in Aussicht. Bei einem siebenstündigen Spitzentreffen zur Konjunktur am Sonntagabend im Kanzleramt boten sie an, eine entsprechende Selbstverpflichtung anzustreben.

Konjunkturgipfel in Berlin: Tagten bis in die Nacht: Die Teilnehmer des Konjunkturgipfels im Kanzleramt

Tagten bis in die Nacht: Die Teilnehmer des Konjunkturgipfels im Kanzleramt

(Foto: Foto: dpa)

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) riefen zu einem nationalen Kraftakt auf. Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften müssten an einem Strang ziehen.

"Es kommt darauf an, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen", sagte Merkel vor dem Treffen. Die "schwierigen Monate, die vor uns liegen", könnten am besten gemeinsam bewältigt werden.

Positive Signale

An dem Treffen im Kanzleramt nahmen unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Siemens-Chef Peter Löscher und der Telekom-Vorstandsvorsitzende René Obermann teil. Die großen Unternehmen hätten signalisiert, dass sie Angebote der Regierung und der Bundesagentur für Arbeit wie das gerade verlängerte Kurzarbeitergeld nutzen wollten, um Stellenstreichungen zu verhindern, hieß es.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellte schnellere Investitionen in die Infrastruktur in Aussicht. Keine Einigung gab es über rasche Entlastungen der Verbraucher durch niedrigere Steuern oder Konsumgutscheine. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, die Entscheidung über weitere Konjunkturhilfen solle Ende Januar fallen.

Im Auftrag von Merkel soll geprüft werden, wie das Misstrauen der Banken untereinander und die schleppende Kreditvergabe behoben werden können. In Wirtschaft und Koalition gibt es erheblichen Unmut über die Banken. Obwohl die Regierung den 480-Milliarden-Schutzschirm über die Kreditwirtschaft gespannt hat, verleihen viele Institute nur zögerlich Geld oder verlangen deutlich höhere Zinsen.

Gespräche über Steuersenkungen

Eine Kreditklemme für große Unternehmen und den Mittelstand müsse vermieden werden, sagte Steinbrück. Auch Glos nannte es "ungeheuer wichtig", mit Stabilisierungsmaßnahmen den Geldkreislauf aufrechtzuerhalten.

Das für Ende Januar erwartete zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung wird nach Einschätzung von Glos auch Steuersenkungen umfassen. Er sei überzeugt, dass es schon bei dem Vorgespräch der Unionsparteien zur Koalitionsrunde Anfang Januar erste Weichenstellungen in diese Richtung geben werde, sagte der CSU-Politiker am Montag im ZDF. "Ich persönlich bin mir ziemlich sicher, dass auch Steuersenkungen dabei sein werden."

Nach Angaben von Steinbrück sollen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt untersucht werden, damit so wenig Arbeitsplätze wie möglich von der Krise gefährdet werden. Die über 30 Teilnehmer des Krisengipfels seien sich einig gewesen, dass Prognosen über den Konjunkturverlauf im Augenblick schwer zu treffen seien. Steinbrück mahnte, die Bürger nicht ständig mit neuen Nachrichten zu verwirren. Es gebe weiter Risiken, aber auch positive Trends. So würden Verbraucher durch günstigere Energiepreise und geringere Preissteigerungen entlastet.

"Zu viel Symbolik"

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider kritisierte den Konjunkturgipfel als "Showveranstaltung". "Die Kanzlerin setzt Termine, die wenig Sinn machen, nur um damit Aktionen vorzutäuschen", sagte Schneider der Thüringer Allgemeinen. "Ich habe zu viele Gipfel in den letzten Monaten erlebt, bei denen nichts herausgekommen ist. Bildungsgipfel, Integrationsgipfel, Autogipfel - das ist mir zu viel Symbolik und zu wenig Substanz."

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich für eine schnelle Senkung der Sozialversicherungsbeiträge aus. "Vorrangig sind niedrigere Sozialabgaben, weil dadurch alle Arbeitnehmer entlastet werden", sagte der BDA-Präsident der Rheinischen Post auf die Frage, was er bei der Kanzlerin gesagt habe.

"Erstens muss der Rentenbeitrag um 0,3 Punkte auf 19,6 Prozent gesenkt werden", erklärte Hundt. Zweitens müsse die Regierung darauf verzichten, jedes Jahr fünf Milliarden Euro für Sozialleistungen aus der Arbeitslosenkasse abzuzapfen, die aus Steuern zu bezahlen sind. Damit könne der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf unter 2,5 Prozent gesenkt werden.

Die hessische Landesregierung plant einem Zeitungsbericht zufolge ein milliardenschweres Konjunkturprogramm. Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Karlheinz Weimar (beide CDU) wollten ein Investitionsprogramm von rund einer Milliarde Euro auflegen, das Bauwirtschaft und Handwerk Aufträge bringen solle, berichtete die Wetzlarer Neue Zeitung am Montag unter Berufung auf Regierungskreise. Demnach soll das Paket der erste Beschluss des neuen Landtags nach der Neuwahl am 18. Januar werden.

"Schnellschüsse sind nicht angezeigt"

Der SPD-Bundestagsfraktionsvize Ludwig Stiegler mahnte bei der Diskussion um ein zweites Konjunkturpaket zu Besonnenheit. "Schnellschüsse sind nicht angezeigt", sagte Stiegler der Passauer Neuen Presse vom Montag.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sprach sich für ein zweites Konjunkturpaket aus und forderte die Koppelung an eine Schuldenbremse. "Ich bin dafür, dass Schulden, die zur Bewältigung der Krise aufgenommen werden, direkt mit konkreten Tilgungsvereinbarungen beschlossen werden", sagte Mißfelder der Rheinischen Post vom Montag.

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