Konjunktur:Neue Steuer-Milliarden wecken Begehrlichkeiten

Allein in diesem Jahr nimmt der Bund deutlich mehr Geld ein, die Kommunen und die Industrie wollen deswegen neue Investitionen. Aber Finanzminister Schäuble wehrt alle Forderungen ab.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die gestiegenen Steuereinnahmen wecken Begehrlichkeiten. Die Kommunen etwa verlangen vom Bund Entlastung von Flüchtlingskosten. "Damit wir die Herkulesaufgabe der Integration meistern können, müssen Bund und Länder die Kommunen massiv bei der Flüchtlingsintegration unterstützen", sagte Städtetags-Präsidentin Eva Lohse. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag forderte mehr Geld für Bildung, Verkehrswege und Breitbandausbau, die Grünen eine "Investitionsoffensive", etwa für Integration, Schulen und Wohnungsbau. Dagegen warnte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, vor wachsenden Staatsausgaben. Der Bund der Steuerzahler verlangte eine Entlastung. "Es ist an der Zeit, einen Teil der Steuermehreinnahmen den Bürgern zurückzugeben", sagte Verbandschef Reiner Holznagel.

Von Steuersenkungen allerdings will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trotz der guten Zahlen nichts wissen. "Zusätzliche Spielräume für Ausgabenwünsche ergeben sich für den Bund aus der Steuerschätzung nicht", sagte er. Vor allem Ausgaben für die Aufnahme von Flüchtlingen strapazierten die Haushalte; steigende Löhne im öffentlichen Dienst und die Erhöhungen der Renten führten zu zusätzlichen Ausgaben. Denkbar seien auch wieder steigende Flüchtlingszahlen.

Die gute Wirtschaftslage lässt die Steuereinnahmen Deutschlands in den nächsten Jahren weiter wachsen. Bis 2020 könnten Bund, Länder und Gemeinden mit insgesamt 42,4 Milliarden Euro zusätzlichen Steuergeldern rechnen, heißt es im jüngsten Bericht des Arbeitskreises Steuerschätzung. Demnach fallen die Einnahmen allein in diesem Jahr um fünf Milliarden Euro höher aus, als die Steuerschätzer des Bundes noch im vergangenen November angenommen hatten.

Die Steuerschätzer treten jeweils im Mai und im November eines Jahres zusammen. Neben dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium gehören zu dem Zirkel auch die fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute. Der Arbeitskreis schätzt neben der wirtschaftlichen Lage vor allem die Entwicklung der Beschäftigung und der Löhne ab: Je mehr Menschen einen festen Job haben, desto mehr Einkommensteuer fließt. Ihre Prognosen sind Grundlage aller öffentlichen Haushalte.

Die Steuereinnahmen 2016 sollen gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent auf 691,2 Milliarden Euro und 2017 um weitere 4,7 Prozent auf 723,9 Milliarden Euro steigen. Bis zum Jahr 2020 erwarten die Experten einen Anstieg auf 808,1 Milliarden Euro. "Der deutsche Staat - Bund, Länder und Kommunen - ist solide finanziert und insgesamt handlungsfähig", sagte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Die Schätzung bestärke die Bundesregierung darin, "dass wir die aktuell großen Herausforderungen ohne neue Schulden bewältigen können". Verglichen mit der Schätzung vom November sollen dem Bund nun weitere zwei Milliarden Euro zufließen. Die Länder nehmen 2,4 Milliarden Euro zusätzlich ein, die Gemeinden weitere 700 Millionen Euro.

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