Konfrontation in der Ukraine:Polizei räumt weitere Barrikaden

Mehrere Menschen werden verletzt, als Sicherheitskräfte weitere Barrikaden in Kiew räumen. Die EU-Außenbeauftragte Ashton zeigt sich "beunruhigt" von der Situation, auch Washington ruft Präsident Janukowitsch zum Dialog mit der Opposition auf. Die Lage in Kiew könnte sich weiter zuspitzen: Ein Ultimatum der ukrainischen Behörden an die Regierungsgegner läuft heute ab.

Der Machtkampf um den künftigen Kurs der Ukraine dauert an. Tausende Regierungsgegner harren weiter bei Schnee und Kälte im Zentrum von Kiew aus, um gegen den prorussischen Kurs von Präsident Viktor Janukowitsch zu protestieren und ihrer Forderung nach Neuwahlen Nachdruck zu verleihen, während immer mehr Polizeikräfte aufmarschieren.

In der Nacht zum Dienstag haben Sicherheitskräfte weitere Barrikaden der prowestlichen Demonstranten im Regierungsviertel von Kiew geräumt. Als sich einzelne Protestierer wehrten, seien zwei Beamte verletzt worden, sagte ein Behördensprecher nach Angaben örtlichen Medien. Der Chef der rechtspopulistischen Oppositionspartei Swoboda, Oleg Tjagnibok, sagte, zehn Demonstranten hätten ebenfalls Verletzungen erlitten. Festnahmen gab es zunächst nicht. Der regierungskritische Internetsender hromadske.tv (zu Deutsch: Öffentlichkeit) berichtete, Provokateure hätten die vorrückenden Sondereinheiten mit Reizgas und Stöcken angegriffen. An diesem Dienstag läuft ein Ultimatum der Behörden ab. Sie fordern, dass Regierungsgegner besetzte Gebäude räumen.

Am Dienstag will auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kiew zwischen Regierung und Opposition vermitteln. Sie werde sich sowohl mit Vertretern der Führung um Präsident Viktor Janukowitsch als auch mit den Regierungsgegnern um Boxweltmeister Vitali Klitschko treffen, kündigte ihre Sprecherin an. Sie verfolge "beunruhigt" die Informationen, nach denen die Polizei den "Sitz der größten Oppositionspartei erstürmt" habe, sagte Ashton in der Nacht zum Dienstag.

Präsident Janukowitsch will zudem mit seinen drei Amtsvorgängern Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko die Situation in der früheren Sowjetrepublik besprechen.

US-Vizepräsident Joe Biden forderte Janukowitsch am Montag zum Dialog mit der Opposition auf. Zugleich äußerte sich Biden in einem Telefonat mit Janukowitsch besorgt über die Lage im Land, wie das Weiße Haus mitteilte. "Der Vizepräsident unterstrich die Notwendigkeit, auf eine sofortige Deeskalation der Lage hinzuwirken und einen Dialog mit den Oppositionsführern zu beginnen." Gewalt habe keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft, mahnte Biden.

"Unerbittlicher Stellungskrieg"

Die Opposition in der Ex-Sowjetrepublik demonstriert seit rund drei Wochen gegen die Führung des Landes, die auf Druck Moskaus ihren EU-Kurs gestoppt hatte. Demonstranten versperrten Straßen und Gehwege der Hauptstadt mit Stacheldraht, Baumstämmen und Autos.

Beobachter in Kiew sprachen von einem "unerbittlichen Stellungskrieg wie bei Partisanen". Ihnen standen Hunderte Polizisten mit Helmen, Schutzanzügen und Schilden am Unabhängigkeitsplatz (Majdan) und dem benachbarten Prachtboulevard Kreschtschatik gegenüber.

Nach jüngsten Angaben hat das Innenministerium inzwischen rund 6000 Sicherheitskräfte in Kiew zusammengezogen. Klitschko kritisierte den Aufmarsch scharf. Der prorussische Präsident Janukowitsch versuche vermutlich, die mehreren Tausend Regierungsgegner einzuschüchtern. "Aber wir bleiben. Ich rufe alle Regierungsgegner auf, zum Majdan zu kommen", sagte Klitschko. Aus Angst vor einer Erstürmung der Zentrale seiner Partei Udar (Schlag), hat Klitschko das Gebäude vorsorglich evakuieren lassen.

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