Konflikte über Konflikte:Merkel verliert Kontrolle über die Koalition

Kanzlerin Angela Merkel hat derzeit an vielen Fronten zu kämpfen. Nun kommt mit Sachsens FDP, die sich vom Präsidentschaftskandidaten Wulff distanziert, ein neues Problem hinzu.

Peter Blechschmidt und Nico Fried

Die Krise der schwarz-gelben Koalition nimmt verheerende Ausmaße an. Führende Vertreter sagten, man komme mit der Zahl der Konflikte und der Geschwindigkeit, in der neue entstünden, kaum nach. Am Freitag geriet sogar die Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten in Gefahr. Als erster FDP-Landesverband setzte sich der sächsische von der Koalition ab und verzichtete auf eine Wahlempfehlung. Auch Wulff selbst geriet wegen seiner Weigerung, vorzeitig als Ministerpräsident zurückzutreten, unter Druck. Hinzu kam ein offener Konflikt zwischen Kanzleramt und Verteidigungsministerium.

Angela Merkel

Die Zahl der zu lösenden Konflikte steigt für Angela Merkel nahezu täglich.

(Foto: ap)

Erst am Donnerstag hatte die Kanzlerin Hoffnungen auf eine Rettung des Autobauers Opel mit Bundesmitteln enttäuscht und kurz danach auf dem Bildungsgipfel die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer gegen sich aufgebracht. Am Freitag erreichte eine weitere Hiobsbotschaft die Koalition: Die sächsische FDP spricht ihren Vertretern in der Bundesversammlung keine Wahlempfehlung aus. Wie die Partei mitteilte, hatte sich bei Gremiensitzungen des Landesvorstands und des Landesparteirats eine überwältigende Mehrheit für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, ausgesprochen. Die Sachsen-FDP entsendet voraussichtlich drei Wahlmänner in die Bundesversammlung. Auch die Thüringer FDP hält sich ihre Entscheidung für den 30. Juni weiter offen. Er könne nicht verhehlen, dass er große Sympathien für Gauck empfinde, sagte Fraktionschef Uwe Barth.

Wulff legte am Freitag nach heftiger Debatte in Hannover sein Abgeordnetenmandat im Landtag nieder. Damit löste er das formale Problem, dass ein Parlamentssitz mit dem Amt des Bundespräsidenten nicht vereinbar ist. Außerdem kündigte Wulff an, seinen Sitz im VW-Aufsichtsrat in der kommenden Woche abgeben zu wollen. Die SPD fordert aber auch Wulffs sofortigen Rücktritt als Ministerpräsident.

In Berlin brach außerdem ein Konflikt zwischen Kanzleramt und Verteidigungsministerium offen aus. Im Auftrag des Kanzleramts hatte das Innenministerium ein Gutachten über die Frage erstellt, ob die von der Opposition beantragte Gegenüberstellung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit dem von ihm entlassenen Staatssekretär Peter Wichert und dem ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan im Kundus-Untersuchungsausschuss zulässig sei. Innenministerium und Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans erklärten, der Auftrag für das Gutachten sei mit dem Verteidigungsministerium abgestimmt gewesen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums bestritt dies. Den Vorwurf einer Intrige gegen Guttenberg wiesen Regierungsvertreter zurück.

Der Konflikt um die Zukunft der Wehrpflicht hatte das Verhältnis der Kanzlerin zu Guttenberg bereits während der Regierungsklausur am vergangenen Wochenende belastet. Guttenberg bekräftigte am Freitag im Bundestag, die Strukturreform der Bundeswehr könne zur Auflösung der Wehrpflicht führen. Auch Merkel schloss ein Ende der Wehrpflicht nicht aus. Dagegen setzte sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder massiv für den Erhalt der Wehrpflicht ein: "Ich bin überzeugt, dass die Wehrpflicht erhalten bleiben muss", sagte Kauder der Süddeutschen Zeitung. Der Unionsfraktionschef warnte Guttenberg aber indirekt vor Alleingängen. "Die Entscheidung ist im Parlament zu treffen", sagte er.

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