Konflikt mit Weißrussland:EU zieht Botschafter aus Minsk ab - Opposition sieht "katastrophale Folgen"

Als Antwort auf einen harschen Schritt des autoritär regierenden weißrussischen Präsidenten Lukaschenko ruft die EU alle ihre Botschafter aus der früheren Sowjetrepublik zurück. Dies sei eine "nervöse Reaktion", heißt es aus Minsk. Bürgerrechtler befürchten, der Konfrontationskurs Lukaschenkos führe "geradewegs in die Arme des Kreml".

Die Spannungen zwischen Weißrussland und der Europäischen Union haben sich deutlich verschärft. Die EU rief am Dienstagabend alle ihre Botschafter zurück. Zuvor hatte die Regierung in Minsk die Botschafter Polens und anderer EU-Staaten aufgefordert, das Land zu verlassen und zugleich die eigenen Botschafter aus Polen und Brüssel abgezogen, um gegen neue EU-Sanktionen zu protestieren.

Die außenpolitische Vertreterin der EU, Catherine Ashton, kündigte daraufhin an, die Mitgliedsstaaten würden die weißrussischen Botschafter einbestellen, um gegen das Vorgehen zu protestieren. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bezeichnete den Schritt Weißrusslands als feindlichen Akt.

Minsk seinerseits kritisierte den Abzug der EU-Botschafter als "Weg in die Sackgasse" kritisiert. Die EU schüre mit dieser "nervösen Reaktion" die Eskalation in den bilateralen Beziehungen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Minsk nach Angaben von Staatsmedien. Einschüchterungstaktik funktioniere bei Weißrussland nicht.

Unter "einseitigen Bedingungen" und unter Druck sei eine Normalisierung der Beziehungen unmöglich, sagte der Sprecher. Seiner Darstellung nach waren die Botschafter der EU und Polens in Minsk nicht zu unerwünschten Personen erklärt worden. Vielmehr habe Weißrussland ihnen Konsultationen in ihren Hauptstädten "vorgeschlagen".

Bürgerrechtler in Minsk befürchten nach dem Abzug der EU-Diplomaten eine noch stärkere Hinwendung der früheren Sowjetrepublik zu Moskau. "Dieser politische Fehler der Führung in Minsk hat katastrophale Folgen für Weißrussland und vertieft die Abhängigkeit von Russland", sagte der renommierte Oppositionspolitiker Witali Rymaschewski am Mittwoch nach Angaben lokaler Medien.

Der weißrussische Politologe Roman Jakowlewski sagte, er fürchte nun einen "Psycho-Krieg" zwischen der Europäischen Union und Weißrussland. "Es sieht so aus, als würden die Beziehungen auf längere Zeit eingefroren", sagte Jakowlewski.

EU sieht Menschenrechtsverstöße

"Dieser Weg führt geradewegs in die Arme des Kreml", sagte auch Oppositionspolitiker Grigori Kostussew in Minsk. Die regimekritische Journalistin Irina Chalip schrieb, sie gehe nun davon aus, dass international die Stimmen lauter würden, Weißrussland die Gastgeberrolle für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 abzuerkennen.

Dagegen sagte der weißrussische Außenamtssprecher Andrej Sawinych, der Abzug der EU-Botschafter könnte "positive Folgen" haben. "Wenn sie zu Hause deutlich machen, dass Druck auf Minsk perspektivlos ist, könnte dies einen konstruktiven Dialog ermöglichen."

Polnische Beobachter mutmaßen, dass der Streit zwischen der Europäischen Union und Weißrussland mit der bevorstehenden Präsidentenwahl in Russland zu tun haben könnte. Bereits am vergangenen Freitag hätten Minsk und Moskau in einer gemeinsamen Erklärung Brüssel vor weiteren Sanktionen gewarnt, schrieb die Zeitung Gazeta Wyborcza. In der Rzeczpospolita hieß es, Präsident Lukaschenko wolle dem designierten russischen Staatschef Wladimir Putin seine Solidarität beweisen. Putin macht seit Wochen auch mit antiwestlichen Parolen Wahlkampf.

Der Rat der Europäischen Union hatte am Montag wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverstöße weitere Sanktionen gegen Weißrussland beschlossen. Die EU-Außenminister verhängten Einreiseverbote für 21 Richter und Polizisten. "Es handelt sich um Polizeivertreter und Richter, die als verantwortlich für die Festnahmen und Verurteilungen von Regimegegnern angesehen werden", sagte ein EU-Diplomat. Die frühere Sowjetrepublik, die vor dem Staatsbankrott steht, ist das einzige Land in Europa, das noch die Todesstrafe verhängt - per Kopfschuss.

Die Sanktionen ergänzen eine bestehende schwarze Liste mit 210 bereits von Sanktionen betroffenen Vertretern Weißrusslands. Die Europäische Union hatte bereits mehrfach Sanktionen gegen die weißrussische Führung und mit der Regierung zusammenarbeitende Einrichtungen verhängt, darunter Vermögenssperren und Exportverbote für Waffen.

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