Konflikt mit China:Tausende Vietnamesen stürmen ausländische Fabriken

Seit Jahren streiten Vietnam und China um Ölförderung im Südchinesischen Meer. Aus Protest haben nun 10.000 Vietnamesen etwa 100 Fabriken gestürmt und angezündet, die ihrer Ansicht nach in chinesischem Besitz sind. Doch sie lagen in einigen Fällen falsch.

Aus Protest gegen China haben Tausende Vietnamesen im Süden des Landes ausländische Firmen gestürmt und teilweise in Brand gesetzt. Hintergrund des Aufruhrs sei die Ölförderung der Chinesen in Teilen des Südchinesischen Meers, die von Vietnam beansprucht werden, teilten vietnamesische Behördenvertreter mit.

Ein Polizeisprecher erklärte, man habe mehrere Hundert Menschen festgenommen, die auf frischer Tat bei Plünderungen und Brandstiftungen an Fabriken gefasst worden seien. Es sollen insgesamt 10 000 Protestierende gewesen sein.

Offiziellen Angaben zufolge wurden etwa 100 Fabriken beschädigt. Betroffen waren demnach auch Firmengebäude von taiwanischen Konzernen, die für chinesische Unternehmen gehalten wurden. Die Türen der Gebäude seien aufgebrochen und Fenster eingeschlagen worden. "Sie dachten, Taiwan sei Teil von China", sagte ein Polizeisprecher.

Den Angaben zufolge demonstrierten etwa 19 000 Arbeiter gegen China. Einträge in sozialen Netzwerken und Blogs von Dissidenten legten ebenfalls nahe, dass es sich um Massenproteste handelte - was im autoritär regierten Vietnam höchst ungewöhnlich ist. Veröffentlichte Bilder und Videos zeigen Protestteilnehmer dabei, wie sie Fabriktore zerstörten, Fenster einwarfen und Büros verwüsteten.

Die chinesische Regierung äußerte ihre "ernste Besorgnis" über die Vorfälle. Peking fordere die vietnamesische Regierung auf, die Ausschreitungen zu stoppen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen, sagte eine Außenamtssprecherin. Die Sicherheit chinesischer Bürger und Unternehmen in Vietnam müsse gewährleistet sein.

Ähnlich äußerte sich Taiwans Außenminister David Lin. Taiwan bestellte den vietnamesischen Gesandten ein. Zwei Taiwaner seien bei den Protesten verletzt worden, sagte Lin.

Spekulation über bewusste Zulassung der Proteste

Gewalt gegen chinesischstämmige Menschen und ihre Firmen hat in der Region eine unselige Tradition. Viele aus dieser Gruppe sind in Südostasien im Wirtschaftsleben überdurchschnittlich erfolgreich. Die Politikwissenschaftlerin Amy Chua, selbst aus einer chinesischen Familie von den Philippinen stammend, bezeichnet Chinesen in der Region als "marktdominierende Minderheit". Mit dem Erfolg kommt allerdings der Hass: In Krisensituationen richtet sich oft der Zorn der Mehrheitsbevölkerung gegen die Minderheit. Nach dem Zusammenbruch des Suharto-Regimes in Indonesien gingen Mobs auf chinesische Geschäftsleute und deren Familien los - sie plünderten, brandschatzten und vergewaltigten.

Landeskenner vermuten, dass die vietnamesische Regierung in Hanoi die Proteste der Bevölkerung bewusst zulässt und damit ihre eigene Empörung über das chinesische Vorgehen zum Ausdruck bringt. Normalerweise werden Demonstrationen in Vietnam von den Sicherheitsbehörden unterbunden. Zuletzt wurden aber mehrere gegen China gerichtete Kundegebungen zugelassen.

China und Vietnam streiten sich seit Jahrzehnten um Inseln im Südchinesischen Meer. Der Konflikt hatte sich Anfang Mai zugespitzt, als Peking eine Tiefseebohrplattform vor die Paracel-Inselgruppe verlegte. Hanoi schickte Schiffe in die Gegend, die dort nach eigenen Angaben von chinesischen Schiffen angegriffen und gerammt wurden. China warf seinerseits den vietnamesischen Schiffen vor, seine Schiffe dutzende Male gerammt zu haben. Im Südchinesischen Meer kommt es im Streit um Gebietsansprüche immer wieder zu Zwischenfällen. China beansprucht fast das gesamte Seegebiet für sich, in dem große Rohstoffvorkommen vermutet werden. Doch auch andere ASEAN-Mitglieder, allen voran Vietnam und die Philippinen, erheben Ansprüche.

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