Militäreinsatz in Mali:Hunderttausende Malier sind auf der Flucht

Die Auseinandersetzungen in Mali vertreiben Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat. Während das französische Militär Erfolge beim Kampf gegen die Aufständischen meldet, wächst in Frankreich die Angst vor Terroranschlägen. Tuareg-Rebellen haben den Franzosen jetzt ihre Unterstützung angeboten.

Fast 150.000 Malier sind wegen des Konflikts in ihrer Heimat ins Ausland geflüchtet. Dies teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Genf mit. Das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) veranschlagte die Zahl der binnen-vertriebenen Malier auf 230.000. Die wichtigsten Aufnahmeländer für die Flüchtlinge sind laut UNHCR die Nachbarstaaten Mauretanien (54.000), Niger (50.000) und Burkina Faso (knapp 39.000). Das Welternährungsprogamm (WFP) teilte mit, für die Versorgung der Malier mit Lebensmitteln würden 129 Millionen Dollar (etwa 100 Millionen Euro) benötigt.

Mauretanien bestätigte am Montag, dass Tausende Menschen aus Mali auf dem Weg zur mauretanischen Grenze seien. Die Regierung in Nouakchott beorderte deshalb Soldaten an die Grenze, um diese abzuriegeln, wie es aus Militärkreisen in der mauretanischen Hauptstadt hieß. Auch der nördliche Nachbar Algerien schloss angesichts der Ausweitung des Konflikts seine Grenze, wie ein Sprecher des Außenministeriums in Algier bestätigte.

40 Panzer im Einsatz

Frankreich will seine Truppen im Kampf gegen islamistische Rebellen in Mali deutlich verstärken. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian plant nach übereinstimmenden Berichten, bis zu 2500 Soldaten in das westafrikanische Land zu schicken. Die Truppen sollen schrittweise verstärkt werden. Nach den Worten von Präsident François Hollande sind aktuell etwa 750 französische Soldaten im Einsatz. Eine Einheit mit 40 französischen Panzern aus der Elfenbeinküste soll einem Bericht der Zeitung Le Monde zufolge am Dienstagmorgen die malische Hauptstadt Bamako erreicht haben.

Hollande erwartet, dass es bis zum geplanten Einsatz von Einheiten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas noch "gut eine Woche" dauern werde. Länder wie Niger, Burkina Faso, Senegal, Togo, Nigeria und Benin wollen die malische Regierung mit einer etwa 3300 Mann starken Kampftruppe gegen die islamistischen Aufständischen im Land unterstützen. Der nigerianische Oberbefehlshaber der Mission sei bereits in Mali.

Tuareg wollen mit Franzosen kooperieren

Französische Soldaten in Mali: Vorbereitung auf den Einsatz

Französische Soldaten in Mali: Vorbereitung auf den Einsatz.

(Foto: AFP)

Angesichts der französischen Militärintervention sehen die zuletzt geschwächten Tuareg-Rebellen im Norden des Landes ihre Chance auf ein Wiedererstarken in dem Konflikt. "Natürlich sind wir bereit, der französischen Armee zu helfen und die Arbeit am Boden zu machen", sagte Moussa Ag Assarid von der Nationalen Bewegung für die Befreiung von Azawad (MNLA). Die säkular ausgerichtete MNLA tritt für das Recht der Tuareg auf Selbstbestimmung in Azawad ein. So bezeichnen die Tuareg ihr ausgedehntes Siedlungsgebiet im Norden Malis und den angrenzenden Staaten.

"Natürlich haben sie extrem gute Ortskenntnisse, doch werden sie sich jede Hilfe bezahlen lassen", sagt der französische Experte Alain Antil. Er hat ernste Zweifel an der Loyalität, aber auch an den militärischen Fähigkeiten der Tuareg-Rebellen. Der Tuareg-Experte Pierre Boilley glaubt dennoch, dass die MNLA noch eine Rolle spielen kann. Seiner Ansicht nach ist es nicht ausgeschlossen, dass die MNLA mit der geplanten Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) kooperiert.

Luftwaffe greift Diabali an

Bei ihrem Einsatz hat die französische Luftwaffe in der Nacht zum Dienstag die Stadt Diabali, 400 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bamako, angegriffen. Bei den Luftangriffen seien mindestens fünf islamistische Kämpfer getötet und mehrere andere verletzt worden, sagte ein Mitarbeiter der malischen Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur AFP. Islamistische Einheiten aus dem Norden Malis hatten Diabali am Montag erobert.

Terrorgefahr in Frankreich "ernst"

Die Terrorgefahr in Frankreich ist nach den Worten des französischen Innenministers Manuel Valls indes "sehr ernst und andauernd". "Höchste Wachsamkeit" sei infolge des französischen Militäreinsatzes geboten, um Attentate "auf unserem Boden" zu verhindern, sagte der Minister den Sendern RMC und BFMTV. Die Geheimdienste im In- und Ausland seien besonders wachsam, fügte er hinzu. Nach der Heraufstufung des Terrorplans Vigipirate auf "verstärktes Rot" seien allein in der Region Paris 700 Militärkräfte im Einsatz.

Unterstützung von UN-Sicherheitsrat

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die militärische Unterstützung für die Regierung im westafrikanischen Mali begrüßt. Er hoffe, dass dadurch die Offensive der in den Süden des Landes vorrückenden islamistischen Rebellen gestoppt werden könne, erklärte Ban in New York. Zugleich müssten die Bemühungen fortgesetzt werden, "die Resolution 2085 des Sicherheitsrates komplett umzusetzen, die eine volle Wiederherstellung der konstitutionellen Ordnung und der territorialen Integrität Malis zum Ziel hat".

Der UN-Einsatz sollte zunächst nicht vor September beginnen. Frankreich rief nun dazu auf, die Umsetzung zu beschleunigen. Die frühere Kolonialmacht hatte am Freitag auf Wunsch der Regierung in den Kampf zwischen den Streitkräften und den der al-Qaida nahestehenden Aufständischen eingegriffen. Die Rebellen sollen am Vormarsch auf die Hauptstadt Bamako gehindert werden.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta begrüßte das französische Vorgehen. Er sei im Gespräch mit seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian über mögliche Hilfsleistungen, sagte Panetta. Dabei könne es sich beispielsweise um logistische Unterstützung oder Geheimdienstinformationen handeln. Auch Deutschland prüft derzeit, wie man Frankreich zur Seite stehen kann. Außenminister Westerwelle wolle mit Frankreich über logistische, politische und humanitäre Unterstützung sprechen. Einen Einsatz der Bundeswehr lehnte er allerdings ab.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, sagte Frankreich ebenfalls Unterstützung zu. "Wir haben alle Vertrauen in Frankreich", sagte sie. Das französische Eingreifen habe "eine feste Grundlage" gehabt. "Die Franzosen sind glücklicherweise professionell mit der islamistischen Bedrohung umgegangen." Die USA blieben aber skeptisch, was die Möglichkeiten der malischen Truppen und ihrer westafrikanischen Verbündeten angehe, den Norden zurückzuerobern, sagte Rice. "Die USA haben sich immer Fragen zur Ausführbarkeit des Konzepts gestellt." Dieses müsse nun vollkommen überarbeitet werden, da sich die Verhältnisse vor Ort verändert hätten.

Die malische Armee versucht seit vergangener Woche, einen Vormarsch islamistischer Kämpfer nach Süden zu verhindern. Die französische Armee geht derzeit unter anderem mit Luftangriffen gegen die Islamisten vor, die seit dem Frühjahr vergangenen Jahres weite Teile des Nordens kontrollieren.

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