Konflikt in Iran eskaliert:Mussawi ruft Iraner zu weiteren Protesten auf

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Der Konflikt zwischen Irans Staatsmacht und der Opposition eskaliert weiter: Mindestens 13 Menschen sind bereits gestorben, jetzt hat Präsidentschaftskandidat Mussawi zu weiteren Demonstrationen aufgerufen. Indes hat die Führung in Teheran den Ton gegenüber dem Westen verschärft.

Rudolph Chimelli

Der Konflikt zwischen der iranischen Staatsmacht und der Opposition ist am Wochenende weiter eskaliert. Bei schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und regimetreuen Kräften kamen am Samstag nach offiziellen Angaben 13 Menschen ums Leben. Nach der kritischen Reaktion des Westens auf die Präsidentenwahl griff die iranische Führung einige europäische Staaten scharf an.

Die Demonstranten geben die Hoffnung nicht auf - trotz der schweren Zusammenstöße in Iran. (Foto: Foto: Reuters)

Die Polizei und regierungstreue Bassidsch-Milizen gingen mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor, deren Zahl von verschiedenen Quellen auf etwa 3000 geschätzt wurde. Iranischen Staatsmedien zufolge schossen die Sicherheitskräfte mit Platzpatronen in die Luft, während die Demonstranten auch scharfe Munition verwendet hätten. Zwei Tankstellen, eine Moschee und eine Militärstation seien von "Terroristen" in Brand gesetzt worden.

Nach Angaben von Krankenhäusern wurden 19 Menschen getötet. Am Mausoleum des Staatsgründers Ayatollah Ruhollah Chomeini in Teheran sprengte sich ein Mann in die Luft und verletzte zwei Menschen.

Am Sonntagabend waren im Norden Teherans Rufe von "Allahu Akbar" (Gott ist der Größte) zu hören, eine Protestform, die auf den Aufstand gegen den Schah 1979 zurückgeht. Hubschrauber kreisten über der Stadt, Zeugen berichteten von Schüssen.

Zu den Kundgebungen am Samstag hatte keiner der unterlegenen Präsidentschaftskandidaten aufgerufen, die die Wiederwahl Präsident Mahmud Ahmadinedschads anfechten. Der ehemalige Reform-Präsident Mohammed Chatami äußerte indes die Befürchtung, dass Iran sich auf das Kriegsrecht zubewege. Chatami, der an der Seite des erfolglosen Präsidentschaftsbewerbers Mir Hussein Mussawi steht, beklagte auf dessen Internet-Seite, die Atmosphäre des Landes werde immer mehr von "Sicherheit und Militär beherrscht".

Er warf dem Regime vor, es beleidige die Demonstranten, indem es sie der Verbindung zu ausländischen Regierungen bezichtige. Indem man dem Volk legale Proteste verbiete, werde der Weg zu "gefährlichen Schritten" geöffnet. Ferner forderte Chatami, die während der Unruhen Verhafteten freizulassen sowie die Sperren von Internet und Mobiltelefonen aufzuheben.

Mussawi selber rief am Abend zu neuen Protesten auf. Dabei solle Zurückhaltung geübt werden. Zuvor hatte er in einer Botschaft aus den Ereignissen der Woche die Folgerung gezogen, das Regime wolle der Nation nicht nur eine unerwünschte Regierung aufzwingen, sondern strebe nach "einer neuen Form des politischen Lebens im Lande".

Er spielte auf Tendenzen radikaler Kräfte um Ahmadinedschad an, welche die "Islamische Republik" in einen "Islamischen Staat" umwandeln wollten. Da der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei in seiner Freitagspredigt die Partei Ahmadinedschads ergriffen hatte, zielt Chatamis Vorwurf indirekt auf ihn.

Ex-Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, den Ahmadinedschad im Wahlkapf der Korruption beschuldigt hatte, wurde von Chamenei in seiner Freitagspredigt rehabilitiert. Dagegen wurden seine Tochter Faiseh und vier weitere Angehörige am Samstag verhaftet. Faiseh Rafsandschani war Parlamentsabgeordnete und ist in der Frauenbewegung aktiv. Letzte Woche hatte sie während einer Demonstration vor dem Fernsehhaus eine Rede gehalten.

Der Parlamentsvorsitzende Ali Laridschani bestätigte im Rundfunk teilweise den Fälschungsvorwurf der Opposition, indem er sagte: "Eine Mehrheit des Volkes ist der Meinung, dass die wirklichen Wahlergebnisse sich von dem unterscheiden, was offiziell verkündet wurde." Die Meinung dieser Mehrheit solle berücksichtigt werden. Zwischen ihr und Krawallmachern müsse eine Linie gezogen werden.

Ferner bedauerte Laridschani, dass einige Mitglieder des Wächterrates Partei für "einen bestimmten Kandidaten" der jüngsten Wahl ergriffen hätten. Damit kann nur Ahmadinedschad gemeint sein. Der Wächterrat, das geistliche Verfassungsgericht, überprüft die Auszählungsergebnisse in einem Zehntel der Stimmbezirke. Die Opposition will dagegen Neuwahlen.

Heftige Kritik übte Laridschani an den Reaktionen des Westens auf die Wahl. Sie seien eine Schande. Die Beziehungen zu Deutschland, Frankreich und Großbritannien müssten überdacht werden. Er habe den Ausschuss für Außen- und Sicherheitspolitik aufgefordert, die Beziehungen zu den drei EU-Ländern zu überprüfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte eine Neuauszählung der Wahlzettel, gegebenenfalls könnte dies unter Aufsicht internationaler Beobachter stattfinden.

Der Korrespondent des britischen Rundfunksenders BBC, Jon Leyne, wurde des Landes verwiesen. Er habe die Unruhen in Teheran "unterstützt", meldete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Fars.

© SZ vom 22.6.2009/vw/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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