Kompromiss im US-Haushaltsstreit:Die Halbstarken einigen sich

Wer zuerst Schwäche zeigt, hat verloren: Präsident Obama hat sich im Dauerstreit um den US-Haushalt durchgesetzt. Verlierer der Konfrontation sind die Scharfmacher der Tea Party und Republikaner-Führer Boehner. Allerdings hat auch Obamas Image im In- und Ausland gelitten - und die wahren Probleme der USA bleiben ungelöst.

Ein Kommentar von Nikolaus Piper, New York

Zum Schluss war es "Chicken Game", so wie es Halbstarke in den fünfziger Jahren gespielt haben: Zwei Autos rasen auf einen Abgrund zu; verloren hat der Fahrer, der zuerst auf die Bremse tritt. In Washington waren es die Republikaner, die zuerst bremsen mussten. Ein paar Stunden, ehe die Regierung die Schuldengrenze von 16,7 Billionen Dollar erreicht hätte, lenkten sie ein und billigten einen im Senat ausgehandelten Kompromiss. Die Gefahr eines Staatsbankrotts ist bis zum 7. Februar gebannt, die Regierung kann mindestens bis zum 15. Januar ungestört arbeiten. Die befürchtete Erschütterung der globalen Finanzmärkte bleibt aus.

Es gibt einen klaren Verlierer bei dem Ganzen, und das ist die extreme Rechte der Republikanischen Partei. Nicht weil die Leute Feiglinge wären, sondern weil sie das verrückte Spiel mit der Katastrophe überhaupt erst angefangen haben. Es war die Idee der Scharfmacher von der Tea Party, eine Routineoperation, die Freigabe der Haushaltsmittel, zu benutzen, um ein parteipolitisches Ziel durchzusetzen und Barack Obamas Gesundheitsreform zu stoppen.

Dieses Spiel war nicht zu gewinnen, der Präsident konnte sich auf die Erpressung gar nicht einlassen. Hätte er nachgegeben, wäre das Mehrheitsprinzip der Demokratie ausgehebelt worden: Jede Minderheit wäre künftig versucht gewesen, das Ergebnis von Wahlen auf dem Umweg über Verfahrenstricks zu widerrufen. Heute ist die Tea Party so unpopulär wie noch nie in den vier Jahren. Republikanische Kandidaten für öffentliche Ämter versuchen sich von der Bewegung zu distanzieren.

Verlierer ist auch der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner. Er konnte in einem historischen Augenblick seine eigenen Leute nicht zusammenhalten und machte das gefährliche Spiel wider besseres Wissen mit. So etwas vergisst man in Washington nicht. Der Haushaltsstreit könnte dazu führen, dass die Republikaner ihr Ziel verfehlen, im November 2014 die Mehrheit im Senat zu erobern. Zwar kann in einem Jahr viel passieren, aber die Tendenz in den Meinungsumfragen hat sich klar zugunsten der Demokraten gewendet.

Auch Obamas Ansehen ist beschädigt

Das alles bedeutet nicht, dass Barack Obama als strahlender Sieger dasteht. Sicher, kurzfristig hat der Präsident gewonnen; er hat gekämpft, er hat sich nicht erpressen lassen und er hat Zeit gewonnen. Aber der wochenlange Haushaltsstreit hat auch sein Ansehen beschädigt, im Inland wie im Ausland. Jetzt muss er zeigen, dass er mit der gewonnenen Zeit etwas anfangen kann. Seine Gegner mögen gedemütigt sein, aber er wird sie brauchen, wenn er seinen grand bargain erreichen will, einen historischen Kompromiss zwischen rechtem und linkem Amerika über die Staatsfinanzen und den Sozialstaat.

Und die Vereinigten Staaten selbst? Für das Land ist es selbstverständlich gut, dass die Blockade in Washington erst einmal vorbei ist. Aber der Haushaltsstreit hat der Supermacht zuvor schon materiellen und immateriellen Schaden zugefügt. Seit 2011 löst ein Haushaltsstreit den anderen ab. Das kostet Wachstum, zerstört Vertrauen in das politische System, es weckt aber auch jenseits der Grenzen Zweifel an der Fähigkeit Amerikas, seine Rolle als Führungsmacht auszufüllen. Es spricht für sich, wenn die Volksrepublik China die USA auffordert, solvent zu bleiben.

Man kann die Sache auch positiv wenden: Die vergangenen Wochen mussten jedem denkenden Menschen klar machen, dass man die größte Volkswirtschaft der Erde so nicht führen kann. Alle Beteiligten haben eine Ahnung davon bekommen, was passiert, wenn alles so weitergeht. Und sie können Schlüsse daraus ziehen.

Optimisten zitieren in so einer Situation Winston Churchill: "Wir können immer darauf bauen, dass die Amerikaner das Richtige tun - nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben."

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