Kompliziertes Wahlrecht:Der lange Weg des Ulrich Goll

Das baden-württembergische Landtagswahlrecht kennt keine Landesliste. Wer in den Landtag will, muss einen Wahlkreis gewinnen oder in einem großen Wahlkreis gut abschneiden. Das macht den kleinen Parteien das Leben schwer.

Bernd Dörries

Ulrich Goll hat schon eine weite Reise hinter sich, um in den Landtag zu kommen. 1988 trat er im seiner Heimat am Bodenseekreis an und wurde für die FDP ins Parlament gewählt. Weil aber vier Jahre später sein Wahlkreis verkleinert wurde, bekam er nicht genügend Stimmen für den Wiedereinzug ins Parlament.

Im Jahr 2001 reiste Goll dann nach Freiburg und bewarb sich dort gleich in zwei Wahlkreisen, was aber wieder erfolglos blieb. Für die Landtagswahl 2006 schließlich hat sich der Justizminister nun den Rems-Murr-Kreis ausgesucht, der als ziemlich sicher gilt, und würde nach einem Erfolg seinen Wohnsitz von Leonberg nach Waiblingen verlegen.

Der Fall des Justizministers zeigt, wie unberechenbar das Wahlrecht in Baden-Württemberg besonders für die kleinen Parteien ist. Selbst ihre prominenten Kandidaten schaffen es manchmal nicht in den Landtag. Baden-Württemberg wählt als eines der wenigen Bundesländer ohne Landeslisten und Zweitstimmen.

Das Wahlrecht lässt sich im Groben so erklären: Der Bürger hat eine Stimme, die er dem lokalen Direktkandidaten gibt. Dann werden die Stimmen zusammengezählt, die die Direktkandidaten für ihre Partei gesammelt haben, und daraus wird die Sitzverteilung im Landtag errechnet. Die 120 Sitze werden zuerst mit den direkt gewählten Kandidaten der 70 Wahlkreise gefüllt, anschließend kommen diejenigen dran, die die meisten Stimmen gesammelt haben - und zwar absolut, nicht prozentual.

Diese Regelung führt zu einer gewissen Reisetätigkeit bei den Bewerbern kleiner Parteien, die sich große Wahlkreise suchen müssen, um in den Landtag zu kommen.

Vor allem die FDP will das bestehende Wahlrecht seit geraumer Zeit ändern, weil sie bei Bundestagswahlen von der Zweitstimme profitiert. Befürworter des gegenwärtigen Systems weisen darauf hin, dass das Wahlrecht die einzelnen Kandidaten dazu zwingt, sich auch mit dem Wähler und seinen Problemen zu befassen.

Es kann sich niemand auf einen sicheren Listenplatz verlassen. Die Landesverbände der Parteien hätten aber gerne etwas mehr Einfluss auf die Auswahl der Bewerber, die momentan von den örtlichen Gliederungen bestimmt werden. Das wurde der Abgeordneten Heike Dederer zum Verhängnis, die 2005 von den Grünen zur CDU gewechselt war. Ministerpräsident Günther Oettinger hätte sie gerne wieder im Landtag gesehen. Ihr neuer Ortsverband nicht: Sie bekam keine Direktkandidatur.

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