Kompetenzteams zur Bundestagswahl:Lichtgestalten und Rohrkrepierer

Kanzlerkandidat Steinmeier verzichtet auf Überraschungen - und damit auf die Würze, die schillernde Figuren vielen Wahlkämpfen gegeben haben. Ein Rückblick in Bildern.

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Frank-Walter Steinmeier; SPD; ddp

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Solide, aber ohne Überraschungen und Charisma: Das SPD-Regierungsteam zur Bundestagswahl gleicht dem öffentlichen Bild von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Dabei hätte gerade seine von schlechten Umfragewerten nur so gebeutelte Partei eine spannende Personalie im Schattenkabinett bitter nötig.

Seinen Ursprung hat das Schattenkabinett in Großbritannien: Da nach britischem Wahlrecht zwischen Ankündigung einer Wahl und Wahltag nur maximal vier Wochen liegen, hält sich die Opposition mit dem Shadow Cabinet für den Fall eines Machtwechsels bereit. In Deutschland dienen die Kompetenzteams vor allem dazu, das Profil des Kanzler-Herausforderers zu schärfen und dem Wähler eine Alternative zur Ministerriege der regierenden beziehungsweise stärkeren Partei zu bieten.

Bewährte Berufspolitiker und verdiente Parteisoldaten machen meist das Gros der Kompetenzteams aus. Die besondere Würze verleihen der Spitzenmannschaft aber erst die Überraschungskandidaten, die im besten Fall aus der Praxis kommen, frischen Wind bringen oder ein bisschen Glamour beisteuern. Im besten Fall. Denn ein Rückblick auf prominente Zugpferde vergangener Wahlkämpfe zeigt: Dieses Kalkül kann leicht nach hinten losgehen.

Foto: ddp Texte: aho

Michael Naumann; Gerhard Schröder; dpa

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Mehr Mut als Steinmeier bewies 1998 dessen Parteifreund Gerhard Schröder (rechts). Als der 1998 antrat, um nach 16 Jahren Bundeskanzler Helmut Kohl zu enttrohnen, punktete er mit einer Personalie bei Feuilletonisten und politischen Kommentatoren gleichermaßen. Die Berufung des Publizisten und Verlegers Michael Naumann galt als Ausdruck eines neuen kulturpolitischen Selbstbewusstseins der sich erneuernden Berliner Republik und brachte Glamour und Intellekt in Schröders Team.

Der sprachgewandte Naumann erlebte den Wahlsieg Schröders mit, doch nur zwei Jahre später gab er sein Amt als Kulturstaatsminister wieder auf. Was Naumann als weltgewandten Politnovizen zunächst so attraktiv gemacht hatte, wurde bei seinem Abgang bemängelt: Kritiker bescheinigten ihm zwar hohe Sachkompetenz, aber wenig Willen, sich in den Berliner Politikbetrieb zu integrieren.

zu wenig Politikkompetenz und zu wenig politisches Gespür, warfen Kritiker ihm vor.

Ein weiterer Star in Schröders Kompetenzteam...

span class="author">Foto: dpa

Jost Stollmann; Gerhard Schröder; SPD; AP

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...trat seinen Ministerposten gar nicht erst. an. Dabei wurde Schröder (Mitte, gemeinsam mit Doris-Schröder-Köpf) auch für die Nominierung des Computer-Unternehmes Jost Stollmann (rechts) als Wirtschaftsminister zunächst gefeiert. Unkonventionell, erfolgreich und medienerfahren - wie Naumann ließ auch Stollmann als Quereinsteiger auf frischen Wind und innovative Ideen hoffen.

Die Sozialdemokraten merkten aber bald, dass sie sich mit Stollmann einen unbequemen Querdenker ins Boot geholt hatten. Schnell verprellte sein Reformeifer etliche Genossen. Dann war die Wahl gewonnen, doch Stollmann gab in letzter Minute entnervt auf: Er stolperte ausgerechnet über Oskar Lafontaine, damals noch Sozialdemokrat, der als neuer Finanzminister etliche Kompetenzen von Stollmanns Ressort abgezogen hatte.

Vier Jahre später...

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Katharina Reiche; Edmund Stoiber; CDU; AP

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... sorgte Schröders Herausforderer, der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, mit einer überraschenden Personalie in den eigenen Reihen für große Aufregung: Als Expertin für Familienpolitik rief der CSU-Chef die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche in sein Team - damals 28 Jahre alt, hochschwanger, unverheiratet. Kritiker aus der eigenen Partei, unterstützt von Vertretern der katholischen Kirche, liefen Sturm gegen die Nominierung und protestierten, eine unverheiratete Mutter spiegele nicht das Familienverständis der Union wieder.

Offenbar hatte Stoiber aber erkannt, dass mit eben diesem Familienverständnis junge Wählerinnen nicht mehr zu erreichen sind. Er blieb hart und bezeichnete seine Entscheidung für Reiche als "Grundsatzentscheidung": Er stehe für moderne Familien- und Frauenpolitik, erklärte er - und nahm damit der SPD, die schon in Angriffsstellung gegangen war, den Wind aus den Segeln.

Wie Stoiber im selben Wahlkampf zu spüren bekam...

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Roland Berger; Edmund Stoiber; CSU; Robert Haas

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...kann auch der Unwillen eines potentiellen Zugpferdes, dem Kompetenzteamt beizutreten, für Unruhen im sorgen. Über Wochen gab es hartnäckige Gerüchte, Stoiber wolle Deutschlands berühmtesten Unternehmensberater Roland Berger (zweiter von links, gemeinsam mit Edmund Stoiber, rechts, Karin Berger, zweite von rechts und Karin Stoiber) als möglichen Wirtschaftsminister in sein Team berufen.

Berger als Wirtschaftsexperte wäre ein Coup gewesen, dem die SPD wenig hätte entgegensetzen können - beriet Berger doch seit Jahren nicht nur Stoiber, sondern auch Kanzler Schröder. Doch dann unterband Berger sämtliche Gerüchte und Begehrlichkeiten von Seiten der Union mit deutlichen Worten: "Das entspricht weder meiner Berufs- noch meiner Lebensplanung", sagte er in einem Interview. Auch sei sei er aber davon überzeugt, "dass Quereinsteiger in der Politik in Deutschland relativ wenig Erfolgsaussichten haben". Auch deshalb verspüre er keine Neigung, Kabinettsmitglied zu werden.

Foto: Robert Haas

Paul Kirchhoff; Angela Merkel; CDU; Getty

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Auch die nächste Unionskandidatin hatte in punkto Fachpersonal für Wirtschaft und Finanzen kein glückliches Händchen. Als Angela Merkel 2005 den Heidelberger Steuerexperten Paul Kirchhof völlig überraschend als künftigen Finanzminister vorstellte, schien dies zunächst ein genialer Schachzug im Wahlkampf gegen Gerhard Schröder. Bis dessen SPD sich erfolgreich auf Kirchhof einschoss.

Die Sozialdemokraten attackierten Kirchhofs Idee einer niedrigen Einheitssteuer, brandmarkten den früheren Bundesverfassungsrichter als Prototyp des kaltherzigen Neoliberalen dar, der nur die Reichen bevorzugen will - mit Erfolg: Die Umfragewerte der Union sanken ebenso wie Kirchhofs Rückhalt in den eigenen Reihen. Nach vier Wochen war sein Ausflug in die Politik bereits wieder vorbei.

Gerhard Schröder nannte den "Professor aus Heidelberg", wie er Kirchhof despektierlich bezeichnete, in einem Buch später ein "Geschenk des Himmels" für die SPD - auch wenn diese der Union schließlich mit hauchdünnem Abstand unterlag. Kirchhof selbst zeigte sich von seiner Stippvisite ins Kompetenzteam der späteren Kanzlerin tief enttäuscht - und kritisierte die "menschliche Niedertracht", die er von Seiten des politischen Gegners erlebt habe.

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Ursula von der Leyen; CDU; dpa

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Mehr Erfolg hatte Merkel hingegen mit einer weiteren Starkandidatin: Mit der niedersächsischen Sozialministerin Ursula von der Leyen präsentierte Merkel eine Politikerin, die ein modernes Frauenbild nicht nur vertrat, sondern offenbar auch lebte. Als siebenfache Mutter und ausgebildete Ärztin hatte sie es geschafft, Kinder und Karriere zu verbinden - und sollte damit auch den den jungen Wählerinnen vermitteln, dass der gesellschaftliche Wandel in der CDU angekommen sei.

Von der Leyens modernen Ansichten zur Familienpolitik, gepaart mit einer geballten Charme-Offensive, zu der auch viele Bilder mit ihrer Kinderschar, Ponys und blühenden Wiesen gehörten, hatte die SPD nicht viel entgegenzusetzen. Kritik blieb trotzdem nicht aus: Sie setze ihr Privatleben für die Politik ein, wurde ihr vorgeworfen. Auch wenn sie das zurückwies, hat sie aus der Kritik offenbar gelernt: Bilder der Familienministerin mit ihren Kindern sind in den vergangenen Jahren deutlich weniger geworden.

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