Kommunikation:Kehrtwende der Kommission

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Jean-Claude Juncker lässt den umstrittenen Vorschlag zu Roaming-Gebühren kassieren - er sei einfach "nicht gut genug", ließ er mitteilen.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Brüssel

Nach erheblicher Kritik macht die EU-Kommission einen Rückzieher: Auf Anweisung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kassierte die Behörde am Freitag einen Vorschlag zur praktischen Umsetzung der Abschaffung von Roaminggebühren bis Juni 2017 ein, den sie bis zuletzt vehement verteidigt hatte. Juncker habe "einen neuen, einen besseren Vorschlag" in Auftrag gegeben, sagte ein Sprecher. Nach dem bisherigen Vorschlag vom vergangenen Dienstag sollte beim Nutzen von Mobiltelefonen im EU-Ausland die Gebührenbefreiung auf 90 Tage begrenzt werden. Nach 30 Tagen Aufenthalt im Ausland sollten Betreiber überdies ein Einwählen im Heimatnetz verlangen können.

Die Kehrtwende sorgte für Verblüffung, weil der zuständige Vize-Kommissionspräsident Andrus Ansip und Digitalkommissar Günther Oettinger den Vorschlag noch am Mittwoch ausdrücklich verteidigt hatten. "Wir mussten die richtige Balance finden", betonten sie in einer Erklärung. Im Schnitt seien Reisende in der EU zwölf Tage unterwegs. 99 Prozent der Bürger würden daher von der neuen Regelung profitieren und seien von dem 90-Tage-Limit nicht betroffen. Es müssten aber "einige Sicherungen" eingebaut werden, um Missbrauch zu verhindern. Vermieden werden soll, dass EU-Bürger sich im Ausland eine günstige Sim-Karte kaufen, um damit höhere Tarife in ihrem eigenen Land zu umgehen.

Juncker war nach Angaben des Sprechers vorab nicht über den Inhalt des Vorschlags informiert. In der Konsequenz stellt der Kommissionspräsident nun Ansip und Oettinger bloß. "Wir haben argumentiert, warum dies ein guter Vorschlag ist. Aber er ist einfach nicht gut genug für unseren Präsidenten", sagte der Sprecher. "Er hat uns angewiesen, härter zu arbeiten und mit etwas Besserem zurückzukommen." Denkbar wäre auch gewesen, den Vorschlag in den nächsten Wochen im normalen Verfahren zu ändern, an dem das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten beteiligt sind. Juncker war aber offenbar aufgebracht über die äußerst negative Berichterstattung in einem Bereich, in dem die EU ihren Nutzen für die Bürger unter Beweis stellen will. "Die Roaminggebühren verschwinden vollständig bis Juni 2017. Punkt", sagte der Sprecher.

Offen ließ er, welche Änderungen nun vorgenommen werden sollen. Unklar war daher, ob die 90-Tage-Regel fällt. Juncker habe sich an verschiedenen Punkten gestört, hieß es. Denkbar wäre auch eine Änderung der 30-Tage-Frist, nach deren Ablauf Netzbetreiber ein Einloggen ins Heimatnetz verlangen können. Der überarbeitete Vorschlag werde rechtzeitig vorgelegt, sagte der Sprecher. Nächste Woche sei ein "angemessener Zeitpunkt" für die Verkündung von Nachrichten. Juncker hält am Mittwoch seine jährliche Rede zur Lage der Union.

Angesichts der Kritik hatte sich die EU-Kommission zuvor über "irreführende Berichte" in Medien beklagt. Nun betonte der Sprecher, man habe auf Einwände reagiert und wolle dafür nicht abermals kritisiert werden. "Kommunikativ ist das extrem unglücklich gelaufen", sagte die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler der Süddeutschen Zeitung. "Es zerstört wieder einmal das Vertrauen in die europäischen Institutionen." Andererseits müsse man anerkennen, dass die Behörde so schnell reagiert habe. Eine solche "Einsichtsfähigkeit" komme nicht häufig vor. Sie erwarte, dass die Roaming-Gebühren für Verbraucher in Europa "wie vereinbart endgültig der Vergangenheit angehören", sagte die SPD-Europaabgeordnete Constanze Krehl.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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