Es ist ein Schock. Nur muss man bezweifeln, dass dieser Schock für Frankreichs politische Klasse heilsam ist: Bei den Kommunalwahlen, der ersten nationalen Wahl seit dem Amtsantritt von Präsident François Hollande, hat der rechtsextreme "Front National" spektakuläre Erfolge erzielt. In einem Dutzend Städte errang die Partei von Marine Le Pen den ersten Platz, vor den regierenden Sozialisten und auch vor der konservativen Oppositionspartei UMP.
In Marseille, der zweitgrößten Metropole des Landes, sowie in viel zu vielen anderen Gemeinden wird die FN-Truppe im zweiten Wahlgang eine Schlüsselrolle spielen im Kampf um die Macht im Rathaus.
Schönredner mögen sich damit trösten, dass die Ultras landesweit nur sieben Prozent der Stimmen gewannen. Aber diese Deutung täuscht. Parteichefin Marine Le Pen hat den FN zu einer schlagkräftigen Organisation umgebaut, die das demokratische System verachtet und doch zu nutzen versteht. Schon plant sie ihren nächsten Coup: Bei den Europawahlen im Mai will sie erste Kraft im Land werden.
Das könnte gelingen. Sozialisten wie Konservative haben das Vertrauen der Wähler mit Skandalen und Versagen erschüttert. Am Wahlabend zeigte keines der beiden Lager Reue. Stattdessen schoben sich die Demokraten gegenseitig die Schuld zu für den FN-Aufstieg. Marine le Pen kann sich auf den nächsten Triumph freuen - am nächsten Sonntag.