Kommentar:Land mit doppeltem Boden

Der Abhörskandal könnte Licht in viele Höhlen des italienischen Schattenreiches bringen. Doch dazu wird es nicht kommen.

Stefan Ulrich

Italien scheint immer wieder zeigen zu wollen, wie artenreich seine Unterwelt ist. Zu Mafia und Camorra, lichtscheuen Organisationen wie der Loge P2 und der Schattenarmee Gladio gesellt sich nun zu allem Überfluss ein privater Geheimdienst.

Über bald ein Jahrzehnt haben Sicherheitschefs großer Firmen, Polizisten, Carabinieri und Privatdetektive das Leben Tausender Bürger illegal und offenbar völlig ungehindert ausspioniert.

Wenn die Italiener nicht schon so viel gewohnt wären, müsste ihnen spätestens jetzt angst und bange werden. Denn sie leben in einem Land mit doppeltem Boden.

Was nun folgen wird, lässt sich voraussagen: ein großer Aufschrei und das Versprechen, alles aufzuklären und die Täter unnachsichtig zu bestrafen.

Wie das dann aussieht, konnte das Publikum gerade erst im italienischen Fußballskandal beobachten. Die Strafen wurden von Instanz zu Instanz geringer, und wenn es nach Justizminister Clemente Mastella gegangen wäre, so hätte der Staat ohnehin allen Sündern Generalamnestie gewährt.

Das mag sympathisch wirken, für die Ermittler wie auch für rechtsbewusste Bürger ist das jedoch ein Schlag ins Gesicht.

Die Hoffnung, dass es diesmal anders kommen wird, ist eher gering. Dabei könnte der Abhörskandal Licht in viele Höhlen des italienischen Schattenreiches bringen. Zudem böte er einen guten Anlass, nun endlich auch mit der legalen Abhörpraxis aufzuräumen.

Diese ist in Italien hoffnungslos gewuchert. Und die Grenzen, zwischen legalen und illegalen Aktionen sind längst verschwunden. So wurde ein Instrument, das eigentlich zur Bekämpfung der Mafia diente, nun zum Werkzeug der Unterwelt.

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