Kommentar:Ikone der Islamisten

Hisbollah-Führer Nasrallah trotzt Israels Offensive - und macht den Regenten der arabischen Welt Angst.

Christiane Schlötzer

Im Gaza-Streifen, wo Israel auch noch Krieg führt, machen die Portraitmaler derzeit die besten Geschäfte, wenn sie den turbantragenden Hassan Nasrallah abbilden. Der Führer der libanesischen Hisbollah ist die neue Ikone der Islamisten.

Kommentar: Iranische Geistliche skandieren anti-israelische Parolen und halten dabei ein Bild von Hisbollah-Führer Nasrallah.

Iranische Geistliche skandieren anti-israelische Parolen und halten dabei ein Bild von Hisbollah-Führer Nasrallah.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Schiiten-Scheich ist auf bestem Weg, in der arabischen Welt dem ewigen Revolutionär Che Guevara den Rang abzulaufen. Der bärtige Prediger ist Israels Bomben bislang stets entwischt.

Schon das gibt ihm Heldenstatus - ein Erfolg, der bei weitem nicht nur Begeisterung in der muslimischen Welt auslöst.

Nasrallah hat für seinen Privatkrieg mit Israel zwar das Wohlwollen seiner mächtigen Paten Iran und Syrien, aber andere muslimische Nationen machen sich inzwischen große Sorgen, dass ihre Rolle als stumme Statisten hochgefährlich ist.

Denn Muslime im Nahen Osten und weit darüber hinaus sind bestürzt über die Opfer, die der Krieg im Libanon seit mehr als drei Wochen fordert, und sie sind empört darüber, dass die Führer ihrer Staaten bislang fast nur Zuschauer in diesem Konflikt sind.

Die Furcht ist groß, dass aus Unmut Wut werden könnte. Deshalb rief die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), der 57 Nationen angehören, jetzt zu einem Krisentreffen in Malaysia.

Die OIC aber ist selbst gespalten, weil sie Scharfmacher wie den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und Beschwichtiger wie den malaysischen Premier Abdullah Ahmad Badawi in ihren Reihen hat. Das ist ein weiter Spannungsbogen, der letztlich nur wohlmeinende Appelle für einen sofortigen Waffenstillstand erlaubt.

In der muslimischen Welt gibt es viele autoritäre Regime, und sie alle fürchten, dass die Empörung wegen des Krieges im Libanon die vielerorts vorhandenen islamistischen Oppositionsgruppen stärkt.

Diese profitieren, wie beispielsweise die Muslimbrüder in Ägypten, schon lange von politischen Fehlentwicklungen: von Unterentwicklung und Bildungsdefiziten, von dem Ärger über staatliche Korruption und krass ungleiche Lebensverhältnisse.

Wer wie die Muslimbrüder, die palästinensische Hamas oder die Hisbollah Krankenstationen baut, macht sich unter den Armeen der Armen, um die sich kein Staat kümmert, leicht Freunde.

Es gibt ein Thema, das Islamisten aller Coleur einte, lange bevor Nasrallah-Konterfeis die Straßen von Beirut und Gaza schmückten: die heimatvertriebenen Palästinenser.

Ikone der Islamisten

Deren Schicksal eignet sich bestens zur Identifikation für all jene, die selbst nicht wissen, womit sie am nächsten Tag ihr Leben bestreiten sollen. Der Palästina-Konflikt ist zur Chiffre für jegliches Unrecht und Unterdrückung in der muslimischen Welt geworden.

Arabische Kommentatoren heizen die Stimmung nun weiter an, wenn sie beklagen, "arabisches Blut" sei offenbar billig, egal ob im Libanon, in Palästina oder im Irak.

Hisbollah und Hamas sind mit dem Palästina-Konflikt groß geworden. Ein neuer Anlauf zu einem Verhandlungsfrieden zwischen Israel und den Palästinensern wäre daher ein Beitrag zur Bekämpfung des Islamismus.

Tony Blair hat das jetzt auch erkannt.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül sagt es.

Israel will davon nichts wissen.

Warten statt Reden

Derzeit nicht, und schon vor dem Waffengang gegen die islamistische Hisbollah nicht.

Die Regierung in Jerusalem hat sich politisch verbunkert und rechtfertigt das mit der Bedrohung durch den atomlüsternen Iran, dessen libanesische Vorhut und deren syrische Beschützer. Aber Syrien und Iran haben nicht wirklich dieselben Interessen.

Das Regime in Damaskus sehnt sich nach einem politischen Erfolg und möchte deshalb Verhandlungen über die von Israel besetzten Golanhöhen.

Israel aber will nicht reden, und die Vereinigten Staaten, die einzige Kraft, die Jerusalem zu Verhandlungen drängen könnte, agiert, als habe sie gar keine Macht.

Nasrallah, der düstere Gottesmann, dessen Religion der Krieg ist, dürfte noch populärer werden.

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