Kommentar:Freispruch mit Fragezeichen

Der Butler-Bericht zum Irak entlastet Premier Tony Blair, doch er stoppt den Verfall seines Ansehens nicht.

Von Gerd Zitzelsberger

"Die Bedrohung ist ernst und sie ist aktuell." Jeder Brite erinnert sich noch an die Worte, mit denen Premierminister Tony Blair im Frühjahr 2003 zum Feldzug gegen Saddam Hussein geblasen hatte. Inzwischen weiß man, dass Saddam mit seinem Folterregime zwar die eigene Bevölkerung drangsaliert hatte. Für Großbritannien und den Westen dagegen war der Irak keineswegs eine direkte Bedrohung.

Die Massenvernichtungswaffen, die laut Blair innerhalb von 45 Minuten abschussbereit gewesen seien, wurden nie gefunden. Und der nun von Lord Robin Butler und seiner Kommission vorgelegte Untersuchungsbericht kommt - wenig überraschend - zu dem Ergebnis, dass es sie in Wirklichkeit wohl gar nicht gegeben hat.

Kein schärferes Urteil zu erwarten

Dennoch spricht der Butler-Report Blair von dem Vorwurf frei, das Volk absichtlich getäuscht zu haben. Zur falschen Darstellung der Sicherheitslage sei es unter anderem auf Grund von Schwächen des Auslands-Geheimdienstes und wegen kollektiver Fehleinschätzungen gekommen, heißt es.

Angesichts der Stützen des Establishments, aus denen sich die Butler-Kommission zusammensetzt, und angesichts des weichen Untersuchungsauftrages war kein schärferes Urteil zu erwarten. Aber nicht nur deshalb wird der Freispruch die Briten nicht überzeugen.

Stück für Stück verfällt Blairs Ansehen

Was ist beispielsweise an dem Vorwurf dran, dass die Regierung kurz vor Kriegsbeginn angefallene Geheimdienst-Informationen zurückgehalten hat, die Saddam entlastet hätten? Der Butler-Report nimmt dazu keine Stellung. Ehrliche und offene Informationen wie nie zuvor hatte Blair den Briten versprochen, als die Töne gegenüber dem Irak im Jahr 2002 schärfer wurden. Doch diesem Maßstab genügte die Regierung selbst bei freundlichster Betrachtung nicht. Es ist freilich nicht das erste Mal, dass bei Blair Versprechen und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Stück für Stück verfällt damit sein Ansehen.

Spagat des Premiers

Es ist in der Geschichte schon häufig vorgekommen, dass Politiker am Schluss auf ihre eigene Rhetorik hereinfielen. Vielleicht war es auch bei Blair so, dass seine Worte über die irakische Gefahr bei ihm selbst am stärksten wirkten. Dann jedoch stellt sich die Frage nach seiner Kompetenz - auch wenn der Butler-Bericht diesen Punkt weitgehend ausklammert. Wer ein Land regiert, muss die Eigeninteressen von Geheimdiensten kennen und ihre Informationen abwägen können. Blair konnte - oder wollte - dies nicht. Wer die Redlichkeit des Premiers nicht in Frage stellen will, wird also zumindest über seine Fähigkeit zur Führung eines Landes nachdenken müssen.

Doch auch hinter der Redlichkeit steht manches Fragezeichen. So behauptet Blair noch heute, der Irak-Krieg habe die Welt sicherer gemacht. Gleichzeitig allerdings hält er es für notwendig, die Ausgaben für die nationale Sicherheit zu erhöhen. Bei einem solchen Spagat braucht er sich über den Vertrauensverlust nicht zu wundern.

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