Kommentar:Falscher Alarm

Wenn es um Terror geht in Deutschland, dann liegen Vorsicht und Alarmismus immer sehr eng beieinander. Deswegen hat sich in Sicherheitskreisen eine Formel eingebürgert, die alles sagt und nichts: "Deutschland ist Teil eines internationalen Gefahrenraums, konkrete Hinweise auf Anschläge haben wir aber nicht." Das wird seit Jahren so stereotyp wiederholt, dass kaum einer mehr hinhört.

Annette Ramelsberger

Deswegen darf sich gesteigerter Aufmerksamkeit gewiss sein, wer auch nur ein wenig von dieser Formel abweicht. Und wenn dann gar die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe berichtet, es gebe einen Verdacht, dass sechs Menschen ein Attentat auf ein Verkehrsflugzeug vorbereitet hätten, dann ist es sehr verständlich, dass die Öffentlichkeit alarmiert ist.

Nun stellt sich heraus, dass an dem Verdacht so gut wie nichts dran war. Das erfährt man aber nicht etwa von der Bundesanwaltschaft, sondern aus Sicherheitskreisen, die sogar ziemlich entsetzt sind über die Bundesanwaltschaft. Die Behörde hat sich unter ihrem früheren Leiter Kay Nehm durch eine besonders restriktive Informationspolitik ausgezeichnet.

Die neue Chefin Monika Harms versucht es dagegen mit Offenheit. Das ist erst einmal zu begrüßen, allerdings nicht um den Preis von Angst und Missverständnis. Wer an die Öffentlichkeit geht, muss auch deutlich machen, wenn an einem geäußerten Verdacht dann doch nichts dran ist - und nicht eine vage Bedrohung im Raum stehen lassen.

Wer so etwas öfter macht, dem kann es wie den US-Behörden ergehen, die ihre Terrorwarnung ständig auf höchster Stufe halten. Wenn dann wirklich eine konkrete Gefahr droht, glaubt kein Mensch mehr, dass es jetzt ernst wird.

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