Kommentar:Ein Wunschkonzert für Bremen

Die Wähler haben die große Koalition in der Hansestadt bestätigt - und den Lohn ungleich verteilt.

Joachim Käppner

(SZ vom 26.5.2003) - Es war kein ermutigendes Bild, das die Stadt Bremen bot. Selbst die Befestigungen waren in beklagenswertem Zustand; Hühner pickten im Unkraut, Hunde strichen zwischen bröckelnden Bastionen herum. Zornig rügte der Stadtrat 1721, "daß die Fortifikationen mutwilligerweise teils verwahrlost, teils ruiniert wurden".

Er ordnete sofortige Wiederherstellung an, "an den Wällen scharrende Hunde" seien zu erschießen. Ähnlich entschlossen fühlten sich jene Politiker von CDU und SPD, die 1995 die Macht in Bremen übernahmen. Die Wähler haben die große Koalition und ihren Sanierungskurs nun zum zweiten Mal klar bestätigt - und den Lohn äußerst ungleich verteilt.

Klarer Sieger ist eigentlich nicht die SPD, obwohl die Bundespartei das gute Ergebnis als Trendwende bejubeln dürfte. Sieger ist Henning Scherf. Der Bürgermeister hatte in Bremen etwas vorzuzeigen, und das tat er mit dem Gestus eines gütigen Landesvaters aus den lang vergangenen Zeiten der Blüte seiner Stadt.

Die Bundespolitik, die Bundespartei, ja den Kanzler selbst hielt er vom Wahlkampf fern, so wie man einst ein Seuchenschiff gar nicht erst in den Hafen ließ. Von der großen Koalition wollte Scherf nicht lassen, mochte sein SPD-Landesverband auch ächzen, er verknüpfte sogar sein politisches Schicksal mit ihr. Die Grünen tat er ab, als seien sie Gespenster seiner linken Vergangenheit.

Im Schatten von Scherfs Triumph ist sein Verbündeter, die CDU, zum Juniorpartner geschrumpft; und während das rotgrüne Projekt in Nordrhein- Westfalen seine Götterdämmerung inszeniert, wäre eine solche Koalition in Bremen mit satter Mehrheit möglich. Aber das war sie auch schon 1999, und Scherf hat nicht gewollt. Er will auch diesmal nicht, und kein Druck aus Berlin hätte ihn umstimmen können. Das ist nur konsequent, denn er würde wortbrüchig, und er glaubt an das Modell Bremen.

Sicher, ein Wunder an der Weser hat die große Koalition nicht vollbracht. Bremen ist auch heute noch arm und verschuldet, hängt am Tropf des Finanzausgleichs, die Arbeitslosigkeit im kleinsten Bundesland bleibt hoch. Dennoch, das ungleiche Duo - der ehemalige SPD-Linke Scherf und der frühere CDU-Hardliner Hartmut Perschau - war für Bremen wie ein harter Sanierer für ein krankes Unternehmen. Die Generalüberholung ist noch in vollem Gange, sie kostete Opfer und Schmerzen, aber erste Anzeichen der Besserung sind unübersehbar. High-Tech-Arbeitsplätze und Großprojekte entstanden, für den Hafen gibt es kühne Modernisierungspläne. Aber es ist vor allem die Stimmung, die sich geändert hat.

Die große Koalition in Bremen hat gezeigt, dass sich auch in einem armen Land noch etwas bewegen lässt. Ein wenig ging es ihr wie den Bremer Stadtmusikanten, die einander versichern: "Etwas Besseres als den Tod findest du überall. Wenn wir zusammen musizieren, so muss es eine Art haben." Nach acht Jahren großer Koalition war aus dem gemeinsamen Musizieren in der Not ein Wunschkonzert geworden. Nur spielt es nicht immer die Melodien, welche die SPD im fernen Berlin gern hören würde.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: