Kommentar:Amerikas Rat

Sie lieben uns nicht, sie lieben uns, sie lieben uns nicht... An den Vereinigten Staaten hängt die Rundumerneuerung der Vereinten Nationen - und die Aufnahme Deutschlands in den Sicherheitsrat.

Von Stefan Ulrich

Falls Gerhard Schröder und Joschka Fischer herausbekommen wollen, wie die USA zu ihren Sicherheitsrats-Ambitionen stehen, können sie die Äußerungen amerikanischer Politiker analysieren. Sie könnten aber auch ein Gänseblümchen rupfen. Sie lieben uns nicht, sie lieben uns, sie lieben uns nicht...

Tatsächlich lässt sich kaum prognostizieren, ob Washington einen ständigen Sitz Deutschlands im Herzen der Völkergemeinschaft akzeptieren wird. Zu vage sind die Kommentare von Condi und Co.

Nur eines ist sicher: Wenn sich die USA erklären, werden sie - wegen ihrer Leitfunktion für viele Staaten - die Frage einer Reform des UN-Sicherheitsrats entscheiden. Je nachdem, ob George W. Bush seinen Daumen hebt oder senkt, reüssiert oder scheitert das ehrgeizigste Projekt Schröder'scher Außenpolitik.

Hierin zeigt sich, wie sehr die Weltmacht die Weltorganisation dominiert. Man mag, ja man muss das beklagen, ändern lässt es sich kaum. Generalsekretär Kofi Annan hat das erkannt.

Demonstrativ bemüht er sich um ein wärmeres Verhältnis zu Washington. Schlüsselposten besetzt er mit Amerikanern und Briten. So möchte Annan die Bush-Regierung für seinen Plan einer Rundumerneuerung der Vereinten Nationen gewinnen.

Showroom und Schaufenster

Kern dieses Projekts ist eine Modernisierung des Sicherheitsrats. Zwar wird behauptet, die Ratsreform sei keinesfalls der wichtigste Aspekt einer UN-Erneuerung. Aber diese Einschätzung ist falsch. Der Sicherheitsrat ist Showroom und Schaufenster der Vereinten Nationen. Sein Wirken prägt das Image des Völkerclubs.

Er entscheidet über Krieg und Frieden und darüber, ob ein Völkermord gestoppt wird. Das Gremium steht also im Zentrum der Weltinnenpolitik. Es zu stärken, muss Ziel der Reformer sein.

Deutschland tut also gut daran, sich auf die Erneuerung des Rats zu konzentrieren. Doch muss Berlin deshalb mit aller Wucht auf einen ständigen Sitz für sich selbst drängen?

Ist es - angesichts amerikanischer Zweifel - sinnvoll, sein Renommee mit so einer unsicheren Sache zu verknüpfen? Und dient das deutsche Streben wirklich einer Stärkung des Rats, oder nur nationaler Eitelkeit?

Natürlich geht es Schröder und Fischer auch ums Renommee. Ein Platz an der Sonne der Weltpolitik würde manche Schwäche rot-grüner Außenpolitik überstrahlen und im nächsten Bundestagswahlkampf nutzen. Solche Motive machen das deutsche Begehren aber noch nicht falsch. Denn es gibt genug Gründe, warum Deutschland tatsächlich ins Zentrum der Weltorganisation gehört.

Die Bundesrepublik verficht seit langem die Prinzipien, die die Vereinten Nationen leiten: Multilateralismus, friedlicher Interessenausgleich zwischen den Staaten, Stärkung des Völkerrechts, Ächtung der Gewalt. Und Berlin redet nicht nur, es handelt auch.

Es schickt Soldaten um des Friedens Willen nach Bosnien oder Afghanistan, kämpft für den Klimaschutz, engagiert sich im Atomstreit mit Iran und zahlt den drittgrößten Beitrag in den Haushalt der UN.

Da ist es durchaus legitim, wenn Deutschland mitentscheiden will. Ein ständiger Sitz würde einen der - immer noch - leistungsfähigsten Staaten noch stärker in die Pflicht nehmen und einer Reform gut anstehen.

Kritiker monieren zwar, die Bundesregierung solle sich lieber um einen EU-Sitz bemühen. Die 25 Unionsstaaten sind sich außenpolitisch aber längst nicht einig genug, um in New York als Einheit zu agieren. Ein europäischer Sitz im Rat wäre folglich häufig wertlos.

Bleibt der Einwand, die Bundesregierung unterschätze Widerstände gegen eine Aufwertung Deutschlands, etwa in den USA. Das Argument hat Gewicht, doch Berlin versucht, es mit einer Koalitionspolitik abzuschwächen. Indem es sich mit Japan, Indien und Brasilien zur Viererbande verbündet, macht sie es der Bush-Regierung schwer, Deutschland auszubremsen.

USA nicht zu sehr reizen

Washington braucht Japan im unruhigen Ostasien und fördert daher Tokios Wunsch nach einem Sitz im Rat. Einen solchen aber dürfte es nur geben, wenn alle vier Staaten aufrücken.

Verlassen darf sich die Regierung Schröder darauf jedoch nicht. Wenn sie die Weltmacht zu sehr reizt, könnten sich in Washington jene durchsetzen, die sagen: lieber keine Reform als eine mit diesem Deutschland.

Gewiss sollen Schröder und Fischer nicht opportunistisch zu Kreuze kriechen. Sie widersetzten sich beim Irak-Krieg oder beim Krach um das Weltstrafgericht zu Recht amerikanischen Zumutungen. An anderen Punkten aber haben die USA Grund zum Ärger.

Wer, wie Schröder, den Russen Wladimir Putin als Demokraten rühmt und das Waffenembargo gegen China bekämpft, der sät in Washington unnötig Argwohn.

Gerade der Fall Peking könnte Amerika eigentlich dazu bringen, sich mit der Ratserweiterung anzufreunden. Die großen Demokratien Deutschland, Japan, Brasilien und Indien würden die USA im Ringen mit der autoritären kommenden Weltmacht China stärken.

Die Bundesregierung darf daher keinen Zweifel aufkommen lassen, auf welcher Seite Deutschland bei einer solchen Auseinandersetzung stehen wird. Will sie in den Sicherheitsrat, dann sollte sie klarstellen, dass sie den amerikanischen Traum von einer demokratischeren Welt teilt. Denn dieser Traum ist auch der Traum der UN.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: