Kolumne:Trost der Dinge

Emcke, Carolin

Carolin Emcke, 51, ist Autorin und Publizistin. 2016 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Warum es oft kleine, unscheinbare Gegenstände des Alltags sind, die den Menschen über Not, Trauer und Verlust hinweghelfen.

Von Carolin Emcke

Als meine Mutter starb, gab es wenig, das ich wusste, wenig, das stabil schien. Als ob alles in dunkle Konturlosigkeit getaucht worden wäre. Die ersten Handlungen danach, die ersten Schritte geschahen wie in Trance, als ob nicht ich es sei, die etwas tat. Aber es gab etwas, das ich früh wusste, so eigenwillig unbedeutend es in dem Moment auch erscheinen mochte: Ich wollte unbedingt einen Gegenstand haben. Ich wollte diesen kleinen hölzernen Stempel an mich nehmen, den ich in einer der letzten Wochen vor dem Tod meiner Mutter behelfsmäßig an dem Radio auf ihrem Nachttisch befestigt hatte. Meine Mutter hatte nicht mehr genug Kraft, den Schalter zu drehen, und mit dem angeklebten Stempel hatte ich ihr die Bewegung ermöglichen wollen. Sie sollte Radio hören können.

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