Kolumbien:Zwei Fronten

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Die Gespräche, die Frieden für das Land bringen sollen, hängen noch an einem Punkt. Der Präsident spricht von einem möglichen Weihnachtsgeschenk.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

In Kolumbien scheint ein Friedensschluss mit der Farc-Guerilla näher zu rücken. Im weltweiten Jubel über den historischen Handschlag zwischen Präsident Juan Manuel Santos und dem Farc-Anführer Timoschenko neulich in Havanna ist ja fast ein wenig untergegangen, dass weiterhin geschossen und gemordet wird in den kolumbianischen Wäldern, wenn auch nicht mehr so viel wie zu Jahresbeginn. Nun hat Präsident Santos versprochen, die Angriffe der Armee auf Farc-Einheiten einzustellen. Er kündigte einen allgemeinen Waffenstillstand an, beginnend am 1. Januar 2016. "Das wäre ein Weihnachtsgeschenk für die Kolumbianer", sagte Santos. Auch die kriegsmüden Guerilleros im kubanischen Exil zeigen großes Interesse an einem friedlichen Weihnachtsfest. Der Farc-Verhandlungsführer Ricardo Téllez weist jedoch darauf hin, dass Santos da etwas mit dem Adventskalender durcheinander gebracht hat. "Das Weihnachtsgeld wird am 16. Dezember ausgezahlt. Warum also bis zum 1. Januar warten?", fragt Téllez.

Auf ein paar Tage mehr oder weniger wird es wohl nicht ankommen nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg. Wohl aber auf Störfeuer an anderen Fronten. Just am Tag, als Präsident Santos über seine Geschenkidee sprach, bekannte sich die Rebellenorganisation ELN zu einem Anschlag mit zwölf Toten. Bei den Opfern handelte es sich um Soldaten und Polizisten, welche die Auszählung der Kommunalwahl vom vergangenen Wochenende überwacht hatten. Die ELN ist nach den Farc die zweite noch relevante Guerilla-Gruppe in Kolumbien.

"Auch nach dem Wunder von Havanna ist der Prozess nicht unumkehrbar"

"Auf der einen Seite Krieg mit der ELN und auf der anderen Seite die Friedensflöten aus Havanna, das ist eine schwer zu ertragende Doppelsituation", sagt der Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs (Grüne). Er spricht in offizieller Mission, Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat ihn im April zum deutschen Sonderbeauftragten für den Friedensprozess in Kolumbien ernannt. Am Montag wird Koenigs in Berlin seinen ersten Bericht vorlegen. Er ist vorsichtig optimistisch. Der Frieden finde mehrheitlich Zustimmung und der Präsident gewinne an Popularität, heißt es darin. Aber: "Auch nach dem Wunder von Havanna ist der Prozess nicht unumkehrbar", schreibt Koenigs.

Aus Sicht Koenigs' ist es für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien unerlässlich, dass die ELN in die Verhandlungen einbezogen wird. Davon kann bislang nicht die Rede sein. Der Druck der internationalen Gemeinschaft einschließlich Deutschlands bleibe deshalb wichtig, meint Koenigs.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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