Kolumbien:Drogenhandel: Kolumbien kämpft mit dem Erbe der Farc

Kolumbien: Ein UN-Kontrolleur prüft Waffen, die von den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens abgegeben worden sind.

Ein UN-Kontrolleur prüft Waffen, die von den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens abgegeben worden sind.

(Foto: Revolutionary Armed Forces of Colombia/AFP)
  • Mit der offiziellen Abgabe ihrer Waffen und Munition stellen die Farc den Kampf gegen die kolumbianische Regierung ein.
  • Um den Drogenhandel zu unterbinden, sollen Kokabauern zum Umsatteln auf Kakao oder Kaffee bewegt werden.
  • Doch der Kampf um die Nachfolge der Drogenhändler hat bereits begonnen. In einigen Regionen wird die Kontrolle der Regierung nicht vordringen.

Von Jan Schwenkenbecher

8112 Gewehre und 1,3 Millionen Patronen sind weg, konfisziert, eingesammelt. Von einem "historischen Tag" sprach Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos am Dienstag, als die Vereinten Nationen den letzten Container voller Waffen abtransportierten, die die ehemaligen Kämpfer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) in den vergangenen Monaten abgegeben haben. Doch es sind nicht nur die Waffen, die die Ex-Guerilleros hinterlassen. Was auch bleibt, ist ein riesiges Machtvakuum, vor allem im kolumbianischen Drogengeschäft.

Die Farc schufen einen Parallelstaat in Kolumbien

Seit den Sechzigerjahren kämpften die Farc ihren Guerilla-Krieg gegen die Regierung. Nach und nach kontrollierten sie immer mehr ländliche Regionen, garantierten dort auf ihre Weise die Sicherheit der Bewohner. Sie schufen sogar ein eigenes Justizsystem, errichteten quasi einen parallelen Staat. In den Neunzigerjahren begannen sie schließlich, diese Kontrolle auch finanziell zu nutzen: Sie besteuerten den bereits existierenden Kokain-Handel. Im Gegenzug schützten Farc-Kämpfer die Bauern vor der Polizei, sicherten den Transport der Drogen ab, kümmerten sich auch um Verstecke.

Die Farc agierten nicht wie zuvor Pablo Escobars Medellín-Kartell, das von den Bauern im Dschungel bis zu den Dealern in Miamis Nachtclubs jeden Posten kontrollierte. Der Farc-Einfluss endete an der Landesgrenze. Doch innerhalb des Landes kontrollierten sie immer mehr, vom Anbau der Koka-Blätter bis zur Herstellung der Kokainpaste. An der Grenze übernahmen andere, schmuggelten das Koks über Mexiko in die USA oder über Brasilien nach Europa. Dennoch waren die Farc einer der Top-Akteure im weltweiten Geschäft. Schätzungen zufolge kontrollierten sie zuletzt 60 bis 70 Prozent des kolumbianischen Koka-Anbaus. Und das in dem Land mit der größten Kokain-Produktion der Welt: 866 Tonnen waren es allein im vergangenen Jahr, das berichtete das United Nations Office on Drugs and Crime im Juli. Die Farc kassierten so jährlich bis zu 3,5 Milliarden Dollar. Doch was passiert, wenn der größte Player im Business aufhört?

Ex-Kokabauern soll juristische Verfolgung erspart bleiben

Die Regierung sieht in der Situation eine einmalige Chance, einen Schlag gegen den Drogenhandel zu landen. Sie versucht, das Problem bei der Wurzel zu packen, bei den Koka-Bauern. Der Plan: Kaffee statt Kokain. Oder Kakao. Seit Januar läuft ein groß angelegtes Programm, das Koka-Bauern finanziell entschädigen soll, wenn sie statt Kokain andere Pflanzen anbauen. 510 Euro bekommen sie, einmalig, plus Saatgut und 280 Euro jeden Monat im ersten Jahr. Dazu kommen im zweiten Jahr noch mal bis zu 2800 Euro, je nachdem, was der Bauer anbauen möchte. Auch sollen ihnen rechtliche Konsequenzen erspart bleiben, schließlich brachen sie ja als Kokabauern beständig das Gesetz. Doch trotz der Subventionen ist die Gewinnspanne mit Kaffee oder Kakao für die Bauern kleiner, als wenn sie beim Koka blieben. Jahrelang beuteten sie die Böden aus, sprühten maßlos Pestizide. Bis die ersten Kakao- oder Kaffeebohnen reif sind, könnten drei oder vier Jahre vergehen.

Nach einem halben Jahr scheint das Programm zwar gut angelaufen zu sein. Laut der Stiftung "Ideen für den Frieden" haben sich bis Juli über 75 000 Bauern angemeldet. Die Regierung schätzt, dass die Zahl auf bis zu 130 000 ansteigt.

Koka ist leichter als Kakaobohnen - der Transport kann ein Problem werden

Dennoch gibt es einige Tücken. Es muss sich erst zeigen, ob die Bauern tatsächlich keine Kokasträucher mehr anpflanzen und sich nicht einfach wegen der zusätzlichen Pesos registrieren. Darüber hinaus ist das Programm teuer. Zwischen 2,5 und 4,7 Milliarden Dollar haben die Behörden veranschlagt, fast zwei Prozent des kolumbianischen Bruttoinlandsprodukts. Das ist viel Geld für eine Regierung, über die ein großer Teil der Kolumbianer ohnehin denkt, dass sie zu viel bezahlt, um sich mit den Farc zu versöhnen. 2018 wird gewählt.

Hinzu kommt, dass "die meisten Regionen sehr strukturschwach sind", sagt Christoph Heuser, der am Giga Institut für Lateinamerika-Studien zur Drogenpolitik Perus und Kolumbiens forscht. "Und das ist fast schon ein Euphemismus." Viele Koka-Felder liegen in den Bergen mitten im Wald, sie sind über Straßen oft kaum zu erreichen. Koka ist leicht. Säcke voller Bohnen nutzen dem ambitioniertesten Bauern nicht, wenn er sie nicht in die nächste Stadt bringen kann. "Einfach nur Kaffee oder Kakao bereitzustellen, löst das Problem nicht", sagt Heuser. Die Regierung müsste also Straßen bauen lassen - wieder eine Frage des Geldes.

Der Kampf um das Machtvakuum der Farc beginnt

Die größte Herausforderung für den Staat besteht darin zu verhindern, dass andere Kriminelle das verwaiste Netzwerk der Farc weiterführen. Die Zeit drängt. Schon jetzt gebe es Anzeichen, dass sich andere Akteure in den Regionen niederließen, sagt Heuser. Die Mordraten seien zwar national gesunken, in einigen Regionen aber stark gestiegen. Anzeichen eines Machtkampfes.

Die Stiftung und Denkfabrik "Frieden und Versöhnung" hat sich die 242 der 1122 kolumbianischen Gemeinden genauer angesehen, in denen die Farc aktiv waren. In 49 Gemeinden hat sich demnach die zweite große Guerilla-Gruppe Kolumbiens breit gemacht, die Nationale Befreiungsarmee (ELN). Auch zwischen ihr und der Regierung laufen Friedensverhandlungen, diese haben aber gerade erst begonnen. Die Gespräche mit der Farc dauerten vier Jahre. In weiteren 74 Gemeinden agierten andere bewaffnete Organisationen, zusätzlich gebe es 16 Gemeinden, in denen abtrünnige Farc-Mitglieder aktiv seien. In 40 Gemeinden herrschten schlicht Anarchie und Kriminalität.

"In manchen Regionen wird es so sein, dass der Staat tatsächlich eine Kontrolle aufbauen kann", sagt Heuser. "In anderen Regionen wird das schwieriger." Es wird sich erst zeigen, ob die Organisationen, die in die Rolle der Farc schlüpfen wollen, dies auch schaffen.

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