Wehrbericht: Kritik an Führungskräften:Mangel an "Wissen und Gespür"

"Gorch Fock" und Afghanistan: Schon vor dem Wehrbericht waren Missstände bei der Bundeswehr in den Schlagzeilen. Nun kritisiert der Wehrbeauftragte in seinem Bericht besonders die Führungskräfte.

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) hat in seinem Jahresbericht erhebliche Führungsschwächen bei der Bundeswehr angeprangert. Insbesondere unerfahrenen Vorgesetzten fehle es "an Wissen und Gespür dafür, wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden", heißt es in dem 70-seitigen Bericht. Darin listet Königshaus 4976 Eingaben auf, viele davon betreffen Menschenführung und Wehrrecht.

Wehrbeauftragter Königshaus

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus gibt seinen ersten Jahresbericht zum Zustand der Bundeswehr ab.

(Foto: dpa)

Zudem werde oft nicht erkannt, "dass bestimmte Umgangsformen und Verhaltensweisen auch dann Anstoß erregen können, wenn sie nicht strafrechtlich relevant sind, sondern unter die Rubrik fallen: 'Das tut man einfach nicht.'" Rüde Umgangsformen und herabmindernde Äußerungen würden oft nicht als unangebracht erkannt. "Oft gehen beleidigende Äußerungen mit anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen einher", berichtet Königshaus. Als Beispiel nennt der FDP-Mann schikanierende Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald, die im Frühjahr 2010 für Aufsehen sorgten. Der Vorgang mache zweierlei deutlich: "Zum einen fehlte vielen der beteiligten Soldatinnen und Soldaten das Unrechtsbewusstsein für ihr Handeln. Zum anderen zeigt er auch Defizite bei der Dienstaufsicht auf."

Königshaus forderte, bei der anstehenden Bundeswehrreform Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verbesserung der Disziplin in der Truppe beitragen. Unter anderem müsse dafür gesorgt werden, dass die Disziplinarvorgesetzten hinreichend auf ihre Aufgabe vorbereitet seien und auch Präsenz zeigen könnten.

Doch es krankt nicht nur an der Ausbildung der Führungskräfte: Auch mit Blick auch auf den Schießunfall Ende 2010 in Afghanistan beklagte Königshaus anhaltende Mängel bei der Gefechtsausbildung. Das mache sich insbesondere im Einsatz bemerkbar, hielt der Wehrbeauftragte fest. "Besonders beunruhigend ist, dass es gerade im Auslandseinsatz mehrfach zu Unfällen mit schweren Folgen kam."

Bereits im Vorfeld seines jährlichen Berichtes hatte Königshaus zwar davor gewarnt, die Bundeswehr angesichts dieser Vorfälle unter "Generalverdacht" zu stellen. Kritische Worte findet aber auch er. Zum Beispiel fragt er, ob Kadetten ausreichend auf ihren Einsatz auf der Gorch Fock vorbereitet werden.

Missstände bei der Marine

Im ZDF-Morgenmagazin sagte er: "Mein Hauptanliegen ist, sind das die richtigen Leute, die dahin geschickt werden. Werden sie vorher ausreichend getestet und werden sie vorher vor allem ausreichend trainiert?" Nach Aussagen der Schiffsführung sei ein Großteil der Besatzung bei der Ankunft körperlich noch ungeeignet, die Aufgaben auf dem Segelschulschiff wahrzunehmen. In der Debatte um die Suspendierung des Gorch-Fock-Kapitäns Norbert Schatz stellte sich Königshaus indes hinter den Verteidigungsminister: "Ich glaube, das ist eine Schutzmaßnahme", sagte Königshaus bei der Vorstellung seines Jahresberichts. Er warnte. "Was ich nicht damit verbinde und was niemand damit verbinden darf, ist eine etwaige Vorverurteilung."

Auch aus seinem Bericht würden allerdings Missstände bei der Marine ersichtlich: "Es sind einige Dinge, die nicht in Ordnung sind. Dass muss man ganz klar sagen." Zu Details wollte sich Königshaus aber vorab nicht äußern. In seinem Bericht gibt er einen Überblick über Probleme, die er in den vergangenen Monaten bei Truppenbesuchen festgestellt hat und die ihm von Soldaten mitgeteilt wurden. Auf einem Schiff wie der Gorch Fock gehe es darum, dass sich junge Soldaten an die "rauen Bedingungen" auf See gewöhnen. "Die räumliche Enge zum Beispiel, auf die körperliche Anspannung, auf die Notwendigkeit, unter besonderem Druck immer wieder richtig zu reagieren", sagte Königshaus. "Natürlich wird das nicht jedem behagen und nicht jeder wird dazu geeignet sein."

Es gelte zu prüfen, ob die Schiffsführung in Einzelfällen richtig entscheide. Etwa ob Anfänger oder Menschen mit klimatischen Problemen, wie "das junge Mädchen, sieben Mal auf- und abentern" müssen. Im November war eine 25 Jahre alte Kadettin aus der Takelage metertief in den Tod gestürzt. "Bei der Sicherheit muss absolute Priorität herrschen und zwar für alle", sagte Königshaus.

Erster Bericht von Königshaus

Auch ohne Wehrbericht ist die Bundeswehr derzeit in den Schlagzeilen. Neben der Gorch-Fock-Affäre wirft auch der Tod eines Soldaten in Afghanistan - möglicherweise durch die Waffe eines Kameraden - Fragen auf. Des Weiteren ist die geöffnete Feldpost von Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan an ihre Familien in Deutschland ein heikles Thema - und bleibt weiterhin ein Rätsel: Auch auf dem Postweg in Deutschland haben die Ermittler keine Fehler feststellen können. Das sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums unter Berufung auf einen zweiten Untersuchungsbericht. In einem ersten Ermittlungsbericht aus dem Einsatzgebiet waren auch bei der Postbeförderung in Afghanistan keine Mängel festgestellt worden.

Der aktuelle Wehrbericht ist der erste von FDP-Politiker Königshaus, der im Mai 2010 das Amt antrat und damit SPD-Mann Reinhold Robbe ablöste. Der Wehrbeauftragte gilt als Anwalt der Soldaten. Er kann bei Hinweisen auf Verletzung der Grundrechte von Soldaten oder Fehlverhalten von Führungskräften tätig werden. Jeder Soldat kann sich mit Beschwerden oder Informationen an ihn wenden.

Das Amt des Wehrbeauftragten ist dem Bundestag zugeordnet, um bei der parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehr zu helfen. Dazu gehört der jährliche Bericht über den Zustand der Bundeswehr.

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