Köln:Mehr als 100 Anzeigen

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Sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht verschärfen die Debatte um die Flüchtlingspolitik. Die CSU fordert die sofortige Abschiebung von Sexualstraftätern.

Von N. Fried und D. Kuhr, Berlin/Wildbad Kreuth

Die Gewalt gegen Dutzende Frauen vor dem Hauptbahnhof in Köln hat die Debatte über die Flüchtlingspolitik verschärft. CSU-Chef Horst Seehofer nannte die Vorkommnisse in der Silvesternacht am Mittwoch "erschütternd und unsäglich". Es müsse "mit aller Konsequenz des Rechtsstaats vorgegangen werden, sehr, sehr hart". Zum Auftakt der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth warnte er vor voreiligen Schlüssen, sagte aber: "Man muss der Tatsache ins Auge sehen, dass die Unübersichtlichkeit der Flüchtlingsströme für kriminelle Zwecke genutzt wird." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte zuvor gefordert, Flüchtlinge sofort abzuschieben, die Frauen sexuell belästigen: "Es ist untragbar, dass Frauen in deutschen Großstädten nachts auf offener Straße, auf öffentlichen Plätzen von jungen Migranten sexuell traktiert und beraubt werden."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte vor einem Generalverdacht gegenüber Flüchtlingen, andererseits sei die Debatte nicht tabu, ob unter den Angreifern Flüchtlinge waren. De Maizière erwägt eine Verschärfung der Regeln zur Abschiebung von straffälligen Asylbewerbern. In Deutschland gilt, dass sich erst eine Haftstrafe von drei Jahren auf ein Asylverfahren auswirkt. "Wir werden darüber zu reden haben, ob das nicht geändert werden muss", sagte der Minister.

Am Silvesterabend hatten sich vor dem Kölner Hauptbahnhof etwa 1000 Männer versammelt. In kleinen Gruppen hätten einige von ihnen Frauen umzingelt, sexuell bedrängt und teilweise ausgeraubt, berichtete die Polizei. Inzwischen liegen mehr als 100 Anzeigen vor, in zwei Fällen wird wegen Vergewaltigung ermittelt. Die mutmaßlichen Täter stammten laut Polizeipräsident Wolfgang Albers "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum". Bis Mittwoch ermittelte die Polizei vier mutmaßliche Täter, zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Ähnliche Vorfälle wurden aus Hamburg berichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor eine "harte Antwort des Rechtsstaats" verlangt. Es wurde erwartet, dass die Ereignisse auch Thema bei der CSU-Tagung in Kreuth sein würden. Die Abgeordneten wollen dort unter anderem die Forderung beschließen, dass Flüchtlinge nur noch mit gültigem Ausweis einreisen dürfen. Unmittelbar vor dem Treffen mit den CSU-Abgeordneten sagte Merkel: Deutschland brauche "eine spürbare Reduzierung der Flüchtlingszahlen". Zugleich betonte sie aber, die Freizügigkeit in der EU dürfe nicht eingeschränkt werden. Seehofer bekräftigte, dass Deutschland nur 200 000 Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen könne.

Nach den offiziellen Statistiken sind im vergangenen Jahr 1 091 000 Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Laut Innenminister de Maizière wird die endgültige Zahl aber wohl unter der Schwelle von einer Million liegen. Ursache sei, dass es zu vielen Doppelregistrierungen gekommen sei. Außerdem habe es auch eine Reihe von Flüchtlingen gegeben, die sich in Deutschland hätten registrieren lassen, später aber in andere EU-Staaten weitergereist seien.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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