Koch-Brüder als Millionen-Spender:Die unsichtbaren Wahlkämpfer

David Koch

David Koch (Archivbild aus dem Jahr 2013) ist einer der reichsten Amerikaner. Er investiert Millionen Dollar in Politiker, die seine libertären Überzeugungen teilen.

(Foto: AP)
  • Die US-Firma Koch Industries unterhält ein undurchschaubares Netzwerk an Thinktanks und Organisationen, die weit in die Politik hineinreichen.
  • Das investierte Geld ist so hoch, wie das der beiden etablierten Parteien.
  • Die Koch-Brüder setzen sich für eine ultraliberale Politik ein. Sie leisten Widerstand gegen die Gesundheitsreform von Obama, höhere Staatsausgaben und Umweltschutz.
  • Bei den Kongresswahlen im Herbst haben etliche republikanische Kandidaten gewonnen, die Geld aus dem Netzwerk der Kochs erhalten hatten.

Von Nicolas Richter, Washington

Ein Werbespot zeigt reife Tomaten in einer Auslage. Ein Auto beim Tanken. Ein Baby, das in Windeln über einen Teppich krabbelt. "Vielleicht sehen Sie nicht immer unseren Namen auf den Produkten, die Sie benutzen", sagt eine Frau, "aber wir helfen dabei, Lebensmittel, Kleider, Ihr Zuhause zu verbessern".

Die Firma Koch Industries ist demnach vielseitig, aber ihr Einfluss oft verborgen. Das zweitgrößte US-Unternehmen in privater Hand besitzt Raffinerien und Pipelines, stellt Dünger her, Papier und Kunststoffe. Viele Koch-Produkte umgeben die Amerikaner, ohne dass sie es wissen. Nun fragen sich Washingtons Experten, ob all dies auch auf die Politik zutrifft. Inwieweit gedeihen die Karrieren rechter Politiker, weil die Firma Koch sie düngt? Könnte der nächste US-Präsident ein Zögling der Kochs sein?

Der Industriekonzern Koch, den die Amerikaner "Coke" aussprechen, ist beheimatet in Kansas und soll jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Dollar umsetzen. Er gehört den Brüdern Charles und David Koch, beide über 70 Jahre alt, sie gehören zu den reichsten Amerikanern überhaupt. Aber sie rasten nicht. "Die Arbeit geht nie aus", sagt Charles Koch, "weil das Ringen um Freiheit niemals endet".

Die Kochs sind libertär, sie möchten den Staat zurückdrängen, der aus ihrer Sicht zu viel vorschreibt, verbietet, besteuert, ausgibt. Im Kampf für freie Märkte haben die Brüder ein Netzwerk von Denkfabriken, Stiftungen und anderen politischen Organisationen geschaffen, und jüngst kündigte dieses Netzwerk an, bis zur nächsten Präsidentschaftswahl in knapp zwei Jahren fast 900 Millionen Dollar auszugeben. Finanziell wären die Kochs und ihre Verbündeten damit vergleichbar mit den beiden etablierten Parteien.

Wo das Geld verteilt wird

Die Vorwahlen für die Präsidentschaft beginnen erst in einem Jahr, aber die Interessenten bringen sich jetzt schon in Stellung: dort, wo das Geld verteilt wird. Diese Phase im Wahlkampf wird "invisible primary" genannt, die unsichtbare Vorwahl. Wähler sind in diesem Fall nicht die Bürger, sondern die Spender.

Die republikanischen Senatoren Rand Paul, Marco Rubio und Ted Cruz etwa reisten kürzlich zu einer Art Bewerbungsgespräch nach Kalifornien, dorthin hatte die von den Kochs mitfinanzierte Organisation "Freedom Works" Spender geladen. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen, nach außen drangen nur ein paar Redebeiträge der geladenen Senatoren. Cruz sagte, die Linken erklärten die Koch-Brüder ständig zur Wurzel allen Übels auf der Welt, aber die Kochs hätten es mit Gleichmut und Würde hingenommen. Auf jeden Fall nährt die gut organisierte und finanzierte Operation der Kochs den alten Verdacht, dass sich die Industrie in Amerika mehr noch als anderswo die Politiker leistet, die ihr passen. Das Netzwerk der Kochs ähnelt längst einer Partei: Es sammelt Daten über Wähler und wertet sie aus, beschäftigt Freiwillige, die an Haustüren für Kandidaten werben - und verfügt über sehr viel Geld.

All dies lohnt sich für die Brüder schon aus unternehmerischer Sicht: Da ihr Konzern mit Rohstoffen handelt und diese verarbeitet, profitieren sie unmittelbar davon, wenn der Staat weniger Steuern von Konzernen und reichen Bürgern verlangt und wenn er weniger Vorschriften erlässt, vor allem in Umweltfragen.

Aber das Engagement der Kochs geht weit über das hinaus, was in der industriefreundlichen Republikanischen Partei üblich ist. David Koch etwa gibt sich als öffentlichkeitsscheuer Feingeist mit sehr tiefen, wenn auch radikalen Überzeugungen. Als Bürger New Yorks spendet er für das örtliche Ballett, für Theater, Museen und die Krebsforschung. Im Jahr 1980 trat er als Bewerber der Libertären Partei für die Vize-Präsidentschaft an. Die Kandidatur war aussichtslos, aber sie gewährt Einblick in seine Überzeugungen. Seine Partei geißelte den Republikaner Ronald Reagan als zu links, verlangte extreme Privatisierung und Deregulierung. Die Libertären forderten, die Sozialhilfe zu streichen, ebenso die Parteispendengesetze, Steuern auf Kapitalgewinne, das staatliche Schulwesen, die Umweltbehörden, sogar die Gurtpflicht.

Die Kochs sind nicht die einzigen Spender

Viele dieser Themen bestimmen noch heute die Agenda des Koch-Netzwerks. Es leistet Widerstand gegen die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama, höhere Staatsausgaben und den Umweltschutz. Die Kochs sind in diesem System nicht die einzigen Spender, vielmehr stehen sie im Mittelpunkt eines raffinierten Geflechts aus gemeinnützigen Organisationen und Gesellschaften, deren Geldgeber für die Öffentlichkeit nicht zu ermitteln sind. Obwohl sie hoch politische Werbespots gegen Obama und für rechte Kandidaten finanzieren, müssen sich die Geldgeber nach heutiger Rechtslage nicht offenbaren.

Charles Koch verteidigt dieses System heimlicher Spenden unter Verweis darauf, wie sehr er von der Linken verteufelt worden sei. "Wir bekommen Morddrohungen, man droht mit Anschlägen auf unsere Firma", sagte er einmal der Zeitschrift Forbes. "Wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der es zum guten Ton gehört, dass wir böse sind, dass man uns zerstören muss - warum sollte man Spender dann dazu zwingen, sich zu offenbaren?"

Während die Demokraten die Kochs gern zu finsteren Strippenziehern erklären, stellen sich die Kochs selbst oft als Rebellen dar im Kampf gegen linke Politiker, Medien und einen maßlosen Staat. Bei der Parlamentswahl im Herbst etwa haben etliche republikanische Kandidaten gewonnen, die Geld aus dem Netzwerk der Kochs erhalten hatten. Bei der Konferenz jüngst in Kalifornien beschrieb Charles Koch diese Erfolge beinahe defensiv: "Den Amerikanern ist es gelungen, den Marsch hin zum Kollektivismus zu bremsen."

Auch die Demokraten zapfen große Quellen an

Rechte Politiker werfen den Linken oft vor, die Bedeutung des großen Geldes zu überzeichnen. Zwar würden ungeheure Summen ausgegeben, allerdings von beiden Seiten. Tatsächlich verschweigen die Demokraten oft, dass sie selbst große Quellen anzapfen, etwa die Organisation "Democracy Alliance", zu deren Geldgebern der Investor George Soros gehören soll. Die größten Spender für Linke bleiben derweil die Gewerkschaften, im Jahr 2012 haben sie 400 Millionen Dollar ausgegeben, so viel wie das Koch-Netzwerk damals.

Aus Sicht des konservativen Kolumnisten David Brooks sind die Kochs weniger gefährlich für die Demokraten als vielmehr für die Republikanische Partei. "Der Politikstil der Kochs besteht darin zu sagen: Wir geben dir Geld, und wenn du im Amt nicht machst, was wir sagen, dann geben wir das Geld beim nächsten Mal deinem innerparteilichen Rivalen", sagt Brooks. Diese von den Spendern geforderte Kompromisslosigkeit ist im US-Parlament täglich zu sehen und schreckt viele Wechselwähler ab. Bei den jüngsten Vorwahlen für das Parlament haben Amerikas Rechte überdies viel Geld darauf verschwendet, sich gegenseitig zu bekämpfen. Womöglich müssen sich die Demokraten also erst dann wirklich sorgen, wenn die Republikanische Partei und die Kochs Geld und Logistik zusammenlegen.

Die meisten Amerikaner scheinen den Einfluss des großen Geldes gelassen zu sehen. Die linken Warnungen vor den Kochs generieren eher verhaltenes Interesse. In der Politik ist es ähnlich wie bei der Tomate im Werbespot von Koch Industries: Solange sie gut schmeckt, möchte niemand wissen, wer den Dünger liefert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: