Schuldenkrise in Europa:Bundestag entscheidet erst 2012 über Euro-Rettungsschirm

Noch 2011 sollte der Bundestag über den dauerhaften Rettungsschirm ESM für Euroländer abstimmen. Nun wird die Entscheidung auf nächstes Jahr verschoben. Das verschafft der tief zerstrittenen Koalition mehr Zeit - auch im Umgang mit den "Euro-Rebellen".

Der Bundestag wird sich erst Anfang kommenden Jahres mit dem neuen permanenten Euro-Rettungsfonds ESM befassen. Das bestätigte am Freitag die FDP-Bundestagfraktion der Nachrichtenagentur dapd. Ursprünglich war geplant, noch Ende 2011 über die Einführung des unbefristeten Rettungsschirms zu entscheiden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, das Bundeskabinett könne sich nicht wie geplant bereits an diesem Mittwoch mit der ESM-Umsetzung befassen, da der Vertragstext aus Brüssel noch nicht vorliege. Er betonte zugleich, dass keinerlei Zeitdruck bestehe, da der ESM erst Mitte 2013 starte und die nationalen Verfahren in den Euro-Ländern erst dann abgeschlossen sein müssten. "Bis dahin ist noch eine Menge Zeit."

Ursprünglich sollte das Kabinett die nötigen Gesetzentwürfe am 21. September auf den Weg bringen. Nach den Angaben einer Sprecherin der Unions-Fraktion kann die Vorlage nun wohl erst Mitte Oktober ins Kabinett. Bundestag und Bundesrat können den Krisenmechanismus dann voraussichtlich nicht mehr im Jahr 2011, sondern erst im ersten Quartal 2012 verabschieden.

Der ESM soll den bis 2013 befristeten Rettungsschirm EFSF ablösen. Anders als beim EFSF sind für den ESM auch Bareinzahlungen der Mitgliedstaaten nötig. An der Gesamtsumme von 80 Milliarden Euro soll Deutschland sich mit knapp 22 Milliarden Euro beteiligen.

Mitgliederentscheid auch in der Union?

Während FDP-Politiker Unterschriften für einen Mitgliederentscheid über den Euro-Rettungskurs sammeln, wird in der Union laut über eine Befragung der Parteibasis nachgedacht. "Das wäre auch in der CDU wünschenswert", sagte der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Peter Willsch dem Kölner-Stadt-Anzeiger. "Und wenn das jetzt geschähe, dann wäre sicherlich eine satte Mehrheit gegen die Griechenlandhilfe und gegen dauerhafte Schirme", meinte der Abgeordnete, der im Bundestag gegen die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms stimmen will.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, hält Mitgliederentscheide auch in seiner Partei für möglich. Sobald es beispielsweise um Haushaltsrechte Deutschlands gehe, "sollte schon überlegt werden, das Thema nicht nur dem Parteivorstand zu überlassen", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Momentan bestehe aber für die CSU kein Anlass, über einen Mitgliederentscheid nachzudenken. "Anders wäre das, wenn es etwa um die Abgabe von Souveränität ginge", sagte Müller.

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt hält einen Parteimitgliederentscheid über den Euro-Rettungskurs für ungeeignet. "Eine so komplexe Materie kann nicht in einem Mitgliederentscheid durch Ja oder Nein gelöst werden", sagte sie der Saarbrücker Zeitung.

Die "Euro-Rebellen" in der FDP haben bisher rund 1800 Unterschriften für einen Mitgliederentscheid gesammelt, wie ihr Wortführer, der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, mitteilte. Das ist mehr als die Hälfte der benötigten rund 3300 Mitglieder.

Streit in der Koalition setzt sich fort

Die schwarz-gelbe Koalition streitet unterdessen weiter über die Rettungsbemühungen für verschuldete Eurostaaten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bekräftigte im Gespräch mit der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post seine Forderung, in Krisenfällen auch geordnete Insolvenzen von Staaten zu ermöglichen. "Ein künftiger Stabilitätsmechanismus muss deshalb sowohl die Instrumente für eine Staateninsolvenz regeln als auch die Möglichkeit beinhalten, dass ein überschuldetes Land aus der Eurozone ausscheidet und sich außerhalb der Eurozone saniert", sagte er.

Auch FDP-Präsidiumsmitglied Patrick Döring unterstrich in derselben Zeitung, dass eine Insolvenz Griechenlands möglich sein müsse. Nicht der Staat, sondern die "Verantwortlichen und Nutznießer" müssten die Risiken tragen, sagte er. Eine Insolvenzoption sei einst die gemeinsame Forderung der bürgerlichen Parteien gewesen. "Es wird Zeit, dass die Union sich dessen besinnt", sagte Döring.

Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hatte in einem Zeitungsartikel eine "geordnete Insolvenz" Griechenlands ins Spiel gebracht und trotz teils scharfer Kritik mehrfach verteidigt. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle bemängelte nun die Reaktion der Union auf diesen Vorschlag. Er halte "die Art und Weise", wie der Koalitionspartner mit "dem FDP-Vorsitzenden bei dieser Frage umgeht, auch nicht für ganz in Ordnung", sagte Brüderle im Deutschlandfunk. Schließlich habe auch Kanzlerin Merkel schon ähnliche Gedanken zur Lage in Griechenland geäußert.

Auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) forderte Zurückhaltung in der Debatte. Die Märkte seien hypernervös, sagte sie der Passauer Neuen Presse. "In dieser angespannten Situation kann jedes unbedachte Wort zu unkalkulierbaren Reaktionen führen." Die Konsequenz aus der Schuldenkrise einiger Euro-Staaten sei ein harter und kompromissloser Sparkurs.

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