Koalitionsverhandlungen:Nichts ist so, wie's bleibt

In vielen Punkten haben sich die Arbeitsgruppen schon geeinigt - doch wie die Geschenke an die Bürger finanziert werden sollen, bleibt strittig. Ein Überblick.

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Steuern

Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Finanzen liest sich wie eine vorgezogene Weihnachtsgeschenkeliste: Das Kindergeld wird erhöht, der Eingangssteuersatz gesenkt, die kalte Progression entschärft. Geschwister, Nichten, Neffen und Unternehmer werden bei der Erbschaft-, kleine, mittlere und große Betriebe bei der Unternehmensteuer entlastet.

Die ungeliebte Steuerklasse V fällt weg, der sogenannte Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarif wird flacher. Nur ein einziges, klitzekleines Problem gab es am Freitagabend noch: Es handelte sich nicht um die Geschenke-, sondern um die Wunschliste der Finanzexperten von Union und Liberalen. Weil sie sich in beinahe keinem Punkt einigen konnten, präsentierten sie ihren Parteivorsitzenden einfach einen Krabbeltisch.

Freude dürften die Chefs daran nicht haben, denn die Arbeitsgruppe hat sich auch nicht einigen können, wer die Präsente eigentlich bezahlen soll. Kein einziger konkreter Satz findet sich dazu im Abschlussbericht. Ob das im fertigen Koalitionsvertrag anders sein wird, oder ob die schwarz-gelben Partner das Problem einfach beim künftigen Finanzminister abladen, blieb zunächst offen. (Claus Hulverscheidt)

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Innere Sicherheit

Der Bereich Innen- und Rechtspolitik ist das Einzige der großen Streitfelder, auf dem Union und FDP schon in der Arbeitsgruppe eine Einigung auf ganzer Linie erzielt haben. Für alle drei Partner sei es wichtig gewesen, der großen Verhandlungsrunde keine offenen Fragen vorzulegen, betont Innenminister Wolfgang Schäuble.

Die wichtigsten Punkte: Die Befugnis des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Online-Durchsuchung von Computern bleibt erhalten, doch müssen solche Maßnahmen von einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof genehmigt werden. Mit ihrer Forderung nach totalem Verbot der Online-Durchsuchung hat sich die FDP nicht durchgesetzt.

Umgekehrt wehrte sie das Verlangen der Union ab, weiteren Behörden das Recht zur Online-Durchsuchung einzuräumen. Telekommunikationsdaten, die laut Gesetz sechs Monate lang gespeichert bleiben, dürfen nur zur Abwehr einer aktuellen Gefahr für Leib und Leben genutzt werden. Internet-Seiten mit kinderpornographischem Inhalt sollen durch das BKA gelöscht und nicht nur gesperrt werden. Die Bundeswehr darf außer zur Katastrophenhilfe nicht im Inneren eingesetzt werden. (Peter Blechschmidt)

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Energie und Umwelt

Natürlich werden die Atomgegner wieder als Erste da sein. Mit brennenden Tonnen und Menschenketten wollen sie am Wochenende am Ort der Verhandlungen protestieren. Denn noch ist die letzte Messe für die Kernkraft nicht gesungen. Zwar sind Union und FDP einig, die Laufzeiten der 17 deutschen Kernkraftwerke zu verlängern. Unter welchen Bedingungen, ist aber strittig.

So wollen die Wirtschaftspolitiker möglichst viel jenseits des Koalitionsvertrags klären - einerseits mit einem neuen Konzept für eine "zukunftsfähige, marktorientierte Energiepolitik", andererseits in Vereinbarungen mit den Betreibern der Reaktoren.

Die Umweltpolitiker beider Parteien dagegen wollen schon jetzt mehr Vorgaben. So solle der Vertrag Sicherheitsfragen "absolute Priorität" einräumen, etwa durch Vorgaben für die Nachrüstung der älteren Meiler.

Von diesen Details wird abhängen, ob tatsächlich alle Reaktoren länger laufen können oder einige an den Sicherheitsvorgaben scheitern. Am Ausbau erneuerbarer Energien wird die Koalition festhalten - aber zugleich die Fördersätze überprüfen. Vor allem für neue Solarkraftwerke könnte es damit bald weniger Geld geben.miba

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Bildung

In Bildung und Forschung will die Koalition trotz der schwierigen Haushaltslage kräftig investieren. Im Abschlusspapier einigte sich die Arbeitsgruppe auf die Formulierung, man werde "die anteiligen Ausgaben des Bundes" für Bildung und Forschung schon bis 2013 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts bringen.

Das klingt kompliziert, könnte aber zum Segen für Schulen, Unis und Forschungsinstitute werden: Etwa zwölf Milliarden Euro könnten sie zusätzlich erhalten. Unternehmen will die Koalition mit Steueranreizen zu mehr Forschungsinvestitionen ermuntern. Vorschulkinder sollen verbindliche Sprachtests ablegen.

Für Studenten ist ein großes Stipendienprogramm geplant. "Mittelfristig", so heißt es, sollen zehn Prozent aller Studenten ein Stipendium erhalten. Der Betrag soll bei 300 Euro im Monat liegen. Im Vorschulbereich unterstützt die Koalition verbindliche bundesweite Sprachtests. Einige Punkte, vor allem bei den Forschungsthemen, bleiben noch vage. So soll zur Stammzellforschung die Einrichtung einer "Dialogplattform" geprüft werden. Auch die Strukturen der Ressortforschung wolle man prüfen. (Tanjev Schultz)

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Soziales

Die Warnungen der Gewerkschaften blieben nicht ungehört: Der Kündigungsschutz bleibt unangetastet. Die Arbeitsgruppe "Arbeit, Soziales, Renten" hat sich aber auf flexiblere Regeln für befristete Arbeitsverträge geeinigt. Schon jetzt können Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund befristen. Dabei müssen sie zwei Vorschriften beachten.

Der Arbeitsvertrag darf maximal dreimal verlängert werden, bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren. Außerdem ist es nicht erlaubt, denselben Arbeitnehmer nach Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses noch einmal befristet zu beschäftigen. Das soll Kettenbefristungen verhindern.

Dies wollen die Koalitionäre nun ändern: Zukünftig soll es Unternehmen erlaubt sein, zwölf Monate nach einer befristeten Beschäftigung den Arbeitnehmer abermals befristet anzustellen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt dies ab, weil so "unendliche Kettenverträge" wieder möglich wären. "Besonders großen Konzernen wäre es möglich, Mitarbeiterpools zu bilden, die befristet von einem Betrieb in den nächsten wechseln", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. (Thomas Öchsner)

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Krankenversicherung

Die eigentliche Nachricht tauchte am Freitag in den Erklärungen der Gesundheitspolitiker von Union und Liberalen meist nur im Nebensatz auf: Der Gesundheitsfonds bleibt bestehen. Zwar soll er "weiterentwickelt" werden, von einer Beseitigung, wie sie CSU und FDP verlangt hatten, war aber keine Rede mehr. Vielmehr hatte sich gezeigt, dass eine Abschaffung des Fonds kein Problem gelöst, wohl aber neue geschaffen hätte.

Beschlossen wurde zudem, dass die Versicherten künftig einen größeren Teil der Gesundheitskosten allein werden tragen müssen. Allerdings soll auch die Pharmaindustrie nicht ungeschoren davonkommen: Statt für neue Medikamente die Preise einfach diktieren zu können, sollen die Firmen ihre Präparate vor dem Verkaufsstart einer unabhängigen Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen oder aber Preisnachlässen zustimmen müssen.

Der Wechsel von der Gesetzlichen in die Private Krankenversicherung ist künftig wieder schneller möglich, die Elektronische Gesundheitskarte wird auf Eis gelegt. Bei der Pflegeversicherung sollen die Bürger verpflichtet werden, nach dem Vorbild der Riester-Rente zusätzlich privat vorzusorgen. (Claus Hulverscheidt)

Foto: AP (SZ vom 17.10.2009/bica)

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