Koalitionsverhandlungen:FDP fordert liberalere Innenpolitik

An diesem Montag beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen FDP und Union - unmittelbar davor reagieren die Liberalen verärgert auf Ankündigungen, es werde im Bereich der inneren Sicherheit keinen Kurswechsel geben.

Daniel Brössler und Thomas Öchsner

Unmittelbar vor Beginn ihrer Koalitionsverhandlungen an diesem Montag haben CDU/CSU und FDP sich in mehreren Themenfeldern noch einmal klar voneinander abgegrenzt. Besonders deutlich wurde das im Bereich der inneren Sicherheit. Verärgert reagierte die FDP auf Ankündigungen aus CDU und CSU, es werde in diesem Bereich keinen Kurswechsel geben.

So hatte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) geäußert, der jetzige Sicherheitsstandard dürfe von der FDP "nicht untergraben" werden. "Es gibt keine Untergrabung eines Sicherheitsstandards. Das lässt sich die FDP nicht vorwerfen", sagte die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Sie ist als Justizministerin im Gespräch und Mitglied der neunköpfigen FDP-Delegation bei den Koalitionsverhandlungen.

Mehrere Unions-Innenminister aus den Ländern erteilten im Vorfeld der Gespräche einer Liberalisierung im Bereich der inneren Sicherheit eine Absage. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte: "Wir können den Terror nicht mit der Steinschleuder bekämpfen wie es die FDP offensichtlich vorhat." Sein Kollege Bouffier nannte Online-Durchsuchungen, das Abhören von Wohnungen, die Speicherung von Telefondaten und die Erfassung von Autokennzeichen in der Welt am Sonntag "absolut notwendig".

Harte Verhandlungen

Leutheusser-Schnarrenberger stellte klar, sie werde zu einzelnen Punkten der Koalitionsverhandlungen vorher keine Stellung nehmen. "Es bringt überhaupt nichts, wenn die CDU/CSU jetzt sagt, was alles nicht geht", sagte sie, "die Union kennt unser Wahlprogramm. Sie weiß, wie wir die Politik in den letzten Jahren im Bereich Innen und Recht kritisiert haben."

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte harte Verhandlungen an. Zum Wunsch von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, bis zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November die Koalitionsverhandlungen anzuschließen, sagte er der Bild am Sonntag: "Ich freue mich über den Ehrgeiz der Unionsparteien, die Koalitionsverhandlungen zu einem zügigen Ergebnis zu bringen. Ich teile diesen Ehrgeiz, aber alle drei Partner müssen wissen, dass die Gründlichkeit im Interesse unseres Landes viel wichtiger ist, als die Frage, ob wir uns ein paar Tage länger auf den Hosenboden setzen und verhandeln."

In den Verhandlungen will die FDP den Schwerpunkt neben der inneren Sicherheit auf die Themen Wirtschaft sowie Bildung und Forschung legen. "Wir dürfen nicht einfach so weitermachen wie bisher", betonte der nordrhein-westfälische FDP-Chef Andreas Pinkwart. In der Steuerpolitik sei unbestritten, "dass wir entlasten und vereinfachen müssen". Gerade in der Steuerpolitik zeichnet sich aber ein sehr geringer Spielraum für die Verhandlungspartner ab.

Ein im Kanzleramt erstellter "Finanzpolitischer Bericht über die Lage des Bundes" beschreibt die schwierige Ausgangslage für die künftige Koalition. "Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Lage des Bundeshaushaltes deutlich verschlechtert", heißt es dort. Dies sei angesichts der dauerhaften Mehrausgaben der vergangenen Jahre wenig überraschend. Das Ausmaß sei aber "dramatisch".

Dem Bericht des Kanzleramtes zufolge brechen die Steuereinnahmen in diesem Jahr gegenüber 2008 um 6,7 Prozent auf 224,1 Milliarden Euro ein. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben, zum Beispiel durch den Zuschuss für den Gesundheitsfonds. Bereits in diesem Jahr erhöht sich die Neuverschuldung auf 49,1 Milliarden Euro, so viel Geld musste sich der Bund noch nie leihen.

Eine Momentaufnahme

Für 2010 rechnet der Bericht dann - bei gleichzeitig steigenden Ausgaben - mit einem weiteren Minus bei den Steuereinnahmen von 4,6 Prozent auf 213, 9 Milliarden Euro. Aufgrund der neuen Schuldenbremse müssen dem Papier zufolge bis zum Ende der Legislaturperiode mehr als 40 Milliarden Euro entweder zusätzlich eingenommen oder aber eingespart werden.

Das Papier sei "eine Momentaufnahme" und keine neue Steuerschätzung, war aus Kreisen des Kanzleramtes zu erfahren. Es beruhe auf der Frühjahrs-Wachstumsprognose der Bundesregierung und der Steuerschätzung vom Mai 2009. Die Zahlen seien demnach nur von vorläufiger Natur. Am 21. Oktober wird die Wachstumsprognose aktualisiert, am 5. November legen die Steuerschätzer neue Zahlen vor.

Trotz der Milliardenlücke seien die Berechnungen in der Vorlage aber nicht so zu verstehen, dass die geplanten Steuersenkungen der Union damit vom Tisch seien, heißt es. Auch würden sie nicht "gegen eine Entlastung bei der kalten Progression" sprechen. Die Zahlen hätten aber auch deutlich gemacht, dass nicht alles, was von den Parteien an Entlastungen gewünscht werde, "auch tatsächlich machbar ist". Unter kalter Progression versteht man das Phänomen, dass in Deutschland inzwischen auch Menschen aus der Mittelschicht Spitzensteuersätze zahlen, weil die Löhne und Gehälter in der Regel jährlich steigen, die Einkommensteuersätze aber nicht an die Inflationsrate angepasst werden.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wies Spekulationen zurück, er werde als Finanzminister nach Berlin wechseln. "Ich habe oft genug erklärt, dass mein Platz in Wiesbaden ist", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

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