Koalitionsverhandlungen:Die Wirtschaft will Grün-Schwarz

Landtagswahl Baden-Württemberg

Die CDU als Juniorpartner der Grünen in Baden-Württemberg: Dem Fraktionsvorsitzenden der Christdemokraten Guido Wolf (rechts) wird ein solches Bündnis mit Winfried Kretschmann von den Grünen nicht gefallen. Aber wäre es sinnvoll?

(Foto: dpa)

Juniorpartner in der Koalition? Eine schmerzhafte Erfahrung für die CDU in Baden-Württemberg. Aber: Die Zusammenarbeit böte ihr die Chance, sich endlich zu modernisieren.

Von Josef Kelnberger

Die Arroganz der Macht rächt sich in der Politik meist erst mit großer Verzögerung; dafür aber umso schmerzlicher. Wie weh das tun kann, ist am Niedergang der einst so stolzen CDU Baden-Württembergs zu bestaunen. Mehrere Male haben die Christdemokraten die Gelegenheit verpasst, ein Bündnis mit den Grünen zu schmieden, zuletzt 2006, als Winfried Kretschmann sich als Partner geradezu aufdrängte. Doch die CDU sagte Nein zu Schwarz-Grün und damit zur Chance, sich in diesem Bündnis zu erneuern. Nun erhält sie die schlimmstmögliche Rechnung dafür: Grün-Schwarz.

Die CDU ist noch längst nicht so weit, eine Regierung Kretschmann mitzutragen. Aber allein die Debatte darüber beschert der Partei eine Zerreißprobe. Spitzenkandidat Guido Wolf, der die Südwest-CDU in ein historisches Tief geführt hat, leitet aus dem Wahlergebnis sogar den Anspruch ab, eine Regierung mit der FDP und dem anderen Wahlverlierer zu bilden, der SPD. Und niemand in der Partei scheint in der Lage zu sein, dieses Trauerspiel zu stoppen - obwohl die SPD bereits abgesagt hat, weil sie einer "Missachtung des Wählerwillens" nicht Vorschub leisten möchte.

Führende Wirtschaftsvertreter wollen Grün-Schwarz

Wolfs Idee ist an sich nicht verwerflich. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Regierung vorbei an der stärksten Partei gebildet wird. Doch zum einen stand Schwarz-Rot-Gelb nicht zur Wahl, anders als vor fünf Jahren Grün-Rot, die gemeinsam mit dem Ziel angetreten waren, die CDU abzulösen.

Zum anderen war die Wahl am Sonntag nichts anderes als ein Plebiszit für Winfried Kretschmann. Selbst führende Wirtschaftsvertreter warnen vor noch mehr Politikverdrossenheit, sollte Sieger Kretschmann von Verlierer Wolf abgelöst werden. Sie wollen stabile Verhältnisse. Sie wollen Grün-Schwarz.

Dem gesellschaftlichen Wandel hinkt die CDU hinterher

Der Druck auf die CDU, sich der staatspolitischen Verantwortung zu fügen, wird weiter wachsen. Doch Wolf wird wohl erst einmal weiterlavieren, zumal da die Landtagsfraktion auf den harten Kern der Altvorderen geschrumpft ist. Viele von denen würden lieber in einen Wettbewerb mit der AfD um die fundamentalste Opposition treten, als gemeinsame Regierungsarbeit mit den Grünen zu betreiben. Eine grün geführte Regierung gilt ihnen immer noch als eine Verirrung der Geschichte.

In dieser Geisteshaltung wird die CDU seltsamerweise von der FDP unterstützt. Die Freien Demokraten wollen mit Kretschmann noch nicht einmal die Möglichkeit einer Ampelkoalition erörtern. Rational ist das kaum zu erklären. CDU und FDP, in alter Treue fest, finden allem Anschein nach nur schwer heraus aus ihren alten ideologischen Gräben.

Die Grünen empfehlen sich als moderne Variante der CDU

Die Christdemokraten werden ihren Status als natürliche Volkspartei Baden-Württembergs nun nicht sofort verlieren. Aber die Grünen machen große Fortschritte bei dem Versuch, sich als moderne Variante der CDU zu empfehlen: mit einer wertkonservativen, wirtschaftsfreundlichen, ökologischen Politik. Sie haben am Sonntag weit mehr als die Hälfte der Direktmandate gewonnen, was einem Erdrutsch gleichkommt. Ihre Fraktion besteht nun fast zur Hälfte aus Frauen, während die CDU immer noch Männerdomäne ist. Das zeigt am besten, wie weit die CDU dem gesellschaftlichen Wandel hinterherhinkt.

Eine Koalition als Juniorpartner der Grünen wäre eine schmerzhafte Erfahrung für die CDU, aber gemeinsame Projekte gibt es genügend. Die Schulen müssen befriedet, die Polizei gestärkt, die Digitalisierung vorangetrieben werden. Die Zusammenarbeit böte der CDU auch die Gelegenheit, sich zu modernisieren und neue Gesichter bekannt zu machen mit Blick auf die nächste Wahl. Die gute alte Zeit der CDU wird jedenfalls nicht von selbst wiederkehren, sobald der vermeintliche Spuk namens Kretschmann sich eines Tages verflüchtigt hat.

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