Koalitionsverhandlungen:Auf der Suche nach verborgenen Geldquellen

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Union und FDP haben den Bürgern Entlastung versprochen - also muss anderswo gespart werden. Nur wo?

P. Blechschmidt, G. Bohsem, S. Braun u. C. Hulverscheidt

Es ist keine drei Wochen her, da ließ sich die Welt einfach in Gut und Böse einteilen: hier die Steuersenker von CDU, CSU und FDP, dort die Bedenkenträger von SPD, Grünen und Linken.

Die neue schwarz-gelbe Koalition ist auf der Suche nach neuen Geldquellen. (Foto: Foto: dpa)

Die Steuern senken wollen Union und Liberale immer noch, wie ihr Versprechen aber umgesetzt werden kann, darüber gehen die Ansichten der Wahlsieger mittlerweile weit auseinander. Schuld daran ist das riesige Haushaltsloch, das zwar auch vor der Wahl alle kannten, das aber erst jetzt das Bewusstsein des einen oder anderen Koalitionsverhandlers erreicht hat.

Bis 2013 summiert sich das Defizit auf gut 260 Milliarden Euro. Mindestens 30 Milliarden Euro davon müssen laut Verfassung eingespart werden. Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, erscheint angesichts der Zahlen kaum noch vorstellbar - es sei denn, die Entlastungen werden durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert. Die Finanzexperten von Union und Liberalen arbeiten deshalb an entsprechenden Streichlisten. Weil sie jedoch befürchten, dass ihre Aufstellungen publik werden könnten, halten sie sie zurück und werfen sich stattdessen gegenseitig vor, keine Kürzungsvorschläge zu unterbreiten.

Verengt wird der Spielraum auch dadurch, dass Kanzlerin Angela Merkel bereits öffentlich angekündigt hat, die wirtschaftliche Erholung dürfe "nicht kaputtgespart" werden. Zudem will sich die CDU-Vorsitzende unter keinen Umständen den Vorwurf der "sozialen Kälte" einhandeln.

Kürzungen bei der Rente oder beim Arbeitslosengeld kommen daher für sie ebenso wenig in Betracht wie ein umfangreicher Subventionsabbau. Hinzu kommt, dass sich die Haushälter der künftigen Koalitionspartner mit immer weiteren Ausgabenwünschen der eigenen Fachpolitiker konfrontiert sehen.

Die FDP hat deshalb vor allem ein Auge auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) geworfen, die aus ihrer Sicht nicht nur zu viele unterschiedliche Hilfsprogramme anbietet, sondern auch ineffizient arbeitet.

"Es kann doch nicht sein, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, die Zahl der BA-Mitarbeiter aber steigt", heißt es in Parteikreisen. Insgesamt könnten hier drei Milliarden Euro eingespart werden.

Viele Tabuthemen

Ähnlich äußert sich der CDU-Wirtschaftsrat, der das Einsparpotential sogar auf fünf Milliarden Euro beziffert. Durch eine bessere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, die Bündelung des öffentlichen Einkaufs und den Wegfall des Mehrwertsteuerprivilegs der Post könnten weitere acht bis zehn Milliarden Euro hinzukommen.

Theoretisch halten CDU, CSU und FDP auch die Streichung von Subventionen für möglich. In der Praxis jedoch hat vor allem die CSU sowohl die ins Gespräch gebrachte Abschaffung der Pendlerpauschale als auch die kurz diskutierte Streichung der Steuerfreiheit von Nacht-, Schicht und Sonntagszuschlägen abgelehnt. Auch der Sparerfreibetrag und die Steuerfreiheit von Flugbenzin stehen derzeit nicht zur Disposition.

Alle Maßnahmen zusammen brächten Mehreinnahmen von gut sieben Milliarden Euro. Gleiches gilt für die Ausnahmeregelungen bei der Energie- und der Stromsteuer, deren Streichung sechs Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen würde. Dagegen spricht jedoch, dass die Spitzen der künftigen Koalition die rezessionsgebeutelte Wirtschaft nicht belasten wollen.

Ähnlich verquer wie die Finanzverhandlungen laufen auch die Gespräche über die Gesundheitspolitik. Das Hauptproblem, so klagt die FDP, seien die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU. "Wir erwarten, dass die Union zu einer gemeinsamen Linie kommt", sagt der FDP-Experte Daniel Bahr. Angesichts der Unstimmigkeiten hätten die Verhandlungen nicht einmal richtig begonnen, geschweige denn zu einem Ergebnis geführt.

Tatsächlich bemühen sich die Unionsvertreter derzeit nach Kräften, den Eindruck der Zerstrittenheit zu belegen: So hatte CDU-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen noch am Montag vor laufenden Kameras betont, es sei Konsens, die Arbeitgeber nicht mit steigenden Lohnnebenkosten zu belasten. Am Tag darauf will die CSU davon plötzlich nichts mehr wissen: "Es darf keine einseitige Belastung der Arbeitnehmer und Rentner geben", so Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder.

Kritik an Solms

Das Gezerre in den Arbeitsgruppen ist symptomatisch für die gesamten Koalitionsverhandlungen, die kurz vor der dreitägigen Klausursitzung am Wochenende ein wenig auf der Stelle treten. CDU und CSU, so heißt es bei der FDP, wollten zwar den Koalitionspartner austauschen, ansonsten aber offenbar so weitermachen wie bisher.

Teilweise nehme das Verhalten der Gegenseite groteske Züge an: So beharre die Union jetzt auf Positionen, die sie in der Koalition mit den Sozialdemokraten noch bekämpft habe. Als Beispiele werden der Kündigungsschutz sowie die Mindestlöhne in bestimmten Branchen genannt, die die Union plötzlich nicht mehr antasten wolle.

In der zweiten Reihe von Partei und Fraktion werden deshalb Stimmen laut, die ein entschiedeneres Auftreten ihrer Anführer verlangen. Mit einem Stimmenanteil von fast 15 Prozent bei der Bundestagswahl müsse man nicht als Leisetreter daherkommen, heißt es.

Besonders unglücklich sind einige darüber, dass die FDP in den Medien bereits wie der Verlierer dasteht. Die Schuld daran geben sie vor allem dem Verhandlungsführer in Sachen Finanzen, Hermann Otto Solms. Er hatte in einem, so ein Präsidiumsmitglied, "missverständlichen Interview" gesagt, die desolate Haushaltslage des Bundes schränke den Spielraum für Steuersenkungen ein. Dies war allgemein als Abrücken von den Forderungen der FDP verstanden worden. "Dass die Haushaltslage schwierig ist, wussten wir vorher", betont der Präside. "Das können wir doch niemandem vermitteln, dass wir davon nichts gewusst hätten."

Vom kritischen Medienecho lässt sich Parteichef Guido Westerwelle nicht beeindrucken. Seine Helfer verbreiten Zuversicht, dass am Ende ein Verhandlungsergebnis herauskommen werde, mit dem die FDP sich sehen lassen könne.

Die Union schwankt derweil zwischen mildem Spott und freundschaftlichem Bekenntnis: Man spüre in den Verhandlungen, so sagt ein Vertreter, dass "die CDU mit deutlich mehr Experten auftreten" könne. Das sei "natürlich eine schmerzliche Erfahrung für die FDP-Kollegen". Am Ende aber werde es auf den direkten Draht zwischen Westerwelle und Merkel ankommen - und der sei "nach wie vor hervorragend".

© SZ vom 14.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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