Koalitionskrach in Kiel:Erdbebengebiet Schleswig-Holstein

Schubladen voll Geld, Ehrenworte und ein Putsch im Landtag: Politische Skandale haben Tradition im hohen Norden. Eine Chronik der Affären.

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Koalitionskrach in Kiel:Ende im Streit

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Die große Koalition in Schleswig-Holstein ist offensichtlich vorzeitig geplatzt: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, im Hintergund) will Neuwahlen für den 27. September ansetzen, den Tag der Bundestagswahl. Laut Carstensen macht die SPD unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner Oppositionspolitik von der Regierungbank. Persönlich sind beide zerstritten.

Die Bankrotterklärung der Kieler Regierung ist nicht das erste politische Erdbeben, das Schleswig-Holstein in den letzten Jahrzehnten erschüttert. Seit der Amtszeit Uwe Barschels in den achtziger Jahren kam es immer wieder zu Skandalen im hohen Norden. Eine Chronik.

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Koalitionskrach in Kiel:Uwe Barschels Ehrenwort

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1987 lösten Recherchen des Spiegels den Rücktritt von Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) aus. Das Magazin deckte auf, dass Barschels Wahlkämpfer, der ehemalige Springer-Journalist Reiner Pfeiffer, eine schmutzige Kampagne gegen SPD-Herausforderer Björn Engholm führte. So hieß es in CDU-Wahlkampfbroschüren, Engholm trete ein für die Legalisierung von Sex mit Kindern und Abtreibungen bis zur Geburt. Pfeiffer ließ Engholm sogar von Privatdetektiven beschatten und zeigte ihn anonym wegen Steuerhinterziehung an. Die CDU verlor bei der Wahl ihre Mehrheit an die SPD.

Auf einer Pressekonferenz, die in die Geschichte eingehen sollte, stritt Barschel alles ab: "Mein Ehrenwort, ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."

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Koalitionskrach in Kiel:Die Barschel-Affäre

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Doch Pfeiffer hatte dem Spiegel die schmutzigen Wahlkampfmethoden in eidesstattlichen Versicherungen gestanden. Die Öffentlichkeit nahm Barschel nicht ab, dass er nicht gewusst hatte, was sein Wahlkampfteam tat. Zwei Wochen nach seinem "Ehrenwort" trat der Ministerpräsident zurück.

Reiner Pfeiffer bei der Spiegel-Lektüre 1987/ Foto: AP

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Koalitionskrach in Kiel:Tod in der Badewanne

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Am 11. Oktober 1987 wurde Barschel tot in der Badewanne eines Genfer Hotels gefunden. Auch wenn Selbstmord als wahrscheinlichste Ursache gilt, sind die Todesumstände bis heute nicht restlos aufgeklärt.

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Koalitionskrach in Kiel:Schubladen-Affäre

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Björn Engholm, Barschels Nachfolger als Ministerpräsident, ging als strahlender Sieger aus "Waterkantgate" hervor, wie die Barschel-Affäre auch genannt wurde. Doch die Nachwirkungen des Skandals sollten später auch Engholm einholen und seine politische Karriere beenden.

1993 wurde bekannt, dass Enghoms Sozialminister Günther Jansen (SPD) Reiner Pfeiffer mit 50.000 D-Mark "ausgeholfen" hatte. Pfeiffers Aussagen hatten Barschel zu Fall gebracht. Plötzlich stand die SPD in Verdacht, die Barschel-Affäre selbst provoziert zu haben. 1993 trat er als Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender zurück. Der Skandal wurde nach der Küchenschublade benannt, in der Jansen das Geld bis zur Übergabe aufbewahrte.

Björn Engholm verkündet 1993 auf einer Pressekonferenz seinen Rücktritt/ Foto: AP

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Koalitionskrach in Kiel:Das Wahldebakel der Heide Simonis

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Engholms Finanzministerin Heide Simonis (SPD, links) wurde seine Nachfolgerin. Nachdem sie 1996 und 2000 wiedergewählt worden war, ging sie auch nach der Landtagswahl 2005 als Favoritin in die Abstimmung im Landtag, in der über den neuen Ministerpräsidenten abgestimmt wurde. Schließlich hatte sie nach der Landtagswahl eine Koalitionszusage von den Grünen erhalten. Auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, hatte versprochen, eine rot-grüne Regierung zu tolerieren, die mit einer Stimme mehr als CDU und FDP regieren konnte.

Doch bei der Abstimmung im Landtag scherte ein Abgeordneter aus und stimmte für Herausforderer Peter Harry Carstensen (CDU, rechts). Als es nach vier Wahlgängen immer noch zu einem Patt zwischen beiden Kandidaten kam, zog Simonis ihre Kandidatur zurück. Carstensen wurde einen Monat später ohne Gegenkandidaten zum Ministerpräsidenten gewählt. Wer der Abweichler war, ist bis heute nicht bekannt.

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Koalitionskrach in Kiel:Persönliche Feindschaft

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Das Verhältnis zwischen Carstensen und Stegner, dem Simonis-Nachfolger in der Nord-SPD, ist seit langem belastet. Bereits 2007 trat der SPD-Politiker als Innenminister zurück, um einen Bruch der großen Koalition zu verhindern.

Bei seiner Forderung nach Neuwahlen im Herbst 2009 betonte Carstensen ausdrücklich, dass seine Kritik an der SPD sich nicht auf ihre Minister beziehe. Die Koalition scheitert vor allem an der persönlichen Feindschaft der beiden Parteichefs - und den Problemen bei der maroden HSH-Nordbank.

Peter Harry Carstensen nach den Kommunalwahlen am 25.05.2008 im NDR-Wahlstudio in Kiel neben dem SPD-Landesparteichef Ralf Stegner/ Foto: dpa

(sueddeutsche.de/jab/lala)

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