Koalitionsgipfel in Berlin:Schwarz-Gelb verspielt die letzte Chance zum Regieren

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Acht Monate hat das Land darauf gewartet, dass sich die Damen und Herren im Koalitionsausschuss endlich mal wieder zusammensetzen. Doch schon jetzt ist klar: Trotz des langen Vorlaufs wird es auch an diesem Sonntag keinen überzeugenden Neustart der dahinsiechenden Koalition geben.

Robert Roßmann, Berlin

Union und FDP befassen sich nur mit Wohlfühl-Themen. Doch selbst das schafft die Regierung nur noch im Streit.  (Foto: dapd)

Mutwilliger hat schon lange keine Koalition mehr ihre letzte Chance zum Regieren verspielt. Am Sonntag trifft sich der Koalitionsausschuss. Acht Monate hat das Land darauf gewartet, dass sich die Damen und Herren endlich mal wieder zusammensetzen - eigentlich müssten sie sich jede Sitzungswoche treffen.

Doch schon jetzt ist klar: Trotz des langen Vorlaufs wird es auch an diesem Sonntag keinen überzeugenden Neustart der dahinsiechenden Koalition geben. Dabei schließt sich in wenigen Monaten das Zeitfenster, in dem die Regierung vor der Bundestagswahl noch Gesetze durchs Parlament bringen kann.

Wie erschütternd es um die Koalition bestellt ist, hat bereits die Rangelei um den Termin gezeigt. Union und FDP haben Wochen gebraucht, um sich auf den 4. November zu verständigen. Dabei hat sich Kanzleramtschef Ronald Pofalla dermaßen dilettantisch angestellt, dass man ihn aus der Ahnenreihe der Schäubles, Steinmeiers und de Maizières verbannen möchte.

Trotz des wochenlangen Hickhacks fehlt bei der Sitzung jetzt einer der wichtigsten Teilnehmer: Finanzminister Wolfgang Schäuble muss zu einem G-20-Treffen nach Mexiko, der Termin ist ja erst seit Monaten bekannt. Dafür können jetzt so wichtige Koalitionsausschuss-Mitglieder wie Birgit Homburger und Alexander Dobrindt an dem Treffen teilnehmen.

Neuschulden trotz Rekordeinnahmen

Deutlicher kann eine Regierung nicht zeigen, dass ihr eine Konsolidierung des Etats, wie sie von anderen Europäern verlangt wird, daheim nicht besonders wichtig ist. Bund, Länder und Kommunen nehmen dieses Jahr 600 Milliarden Euro an Steuern ein, so viel wie nie zuvor. Trotzdem will die Regierung nächstes Jahr 19 Milliarden Euro neue Schulden machen. Wenn bei einem Treffen, in dem es um zusätzliche Ausgaben geht, der Finanzminister fehlt, wird sich daran nichts ändern.

Nun könnte man den Dauerstreit der Koalition ja verstehen, wenn es um eine große Gesundheitsreform oder eine neue Agenda 2010 ginge. Am Sonntag sollen aber nur altbekannte und zweitrangige Themen verhandelt werden: Betreuungsgeld, Praxisgebühr, eine minimale Senkung des Krankenkassenbeitrags und kleinere Änderungen bei der Rente. Das Betreuungsgeld haben Union und FDP sogar schon dreimal beschlossen: 2009 im Koalitionsvertrag, 2011 im Koalitionsausschuss und dieses Jahr im Kabinett - mit den Stimmen aller FDP-Minister. Aber jetzt wollen sie halt noch einmal darüber streiten.

Trotz der zweitklassigen Tagesordnung werde es nur einen "großen Sprung nach vorn", aber noch keine Einigung in allen Streitfragen geben, hat FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärt. Auch die Kanzlerin hat die Erwartungen bereits nach unten gedimmt.

Dabei befassen sich Union und FDP am Sonntag doch nur mit Wohlfühl-Themen: Sie wollen den Bürgern die Praxisgebühr erlassen, das Betreuungsgeld schenken, die Rente erhöhen und neue Straßen versprechen - Weihnachten im November. Doch selbst das schafft die Regierung nur noch im Streit. Diese Koalition ist inzwischen sogar zu unfähig zum Verschenken.

© SZ vom 03.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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