Koalitionsbildung:"Jamaika wird ein schweres Stück Arbeit"

Rechtsruck in Österreich, Wahlniederlage in Hannover: Kanzlerin Merkel stellt sich auf wochenlange Sondierungsgespräche ein. CSU-Chef Seehofer fordert einen bürgerlich-konservativen Kurs.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem Rechtsruck in Österreich und der Wahlniederlage ihrer Partei in Niedersachsen werden für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gespräche für eine Jamaika-Koalition schwierig. Die Sondierungen für die Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen beginnen an diesem Mittwoch, die vier Parteien schicken knapp 50 Vertreter in die Verhandlungen. Merkel erwartet langwierige Gespräche: "Ich rechne da mit mehreren Wochen", sagte sie.

Die CSU versuchte am Montag, den Druck auf ihre Gesprächspartner zu erhöhen. Nach den Wahlen vom Sonntag sei "die Zeit der Zurückhaltung der letzten drei Wochen ja vorbei", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Der Ausflug nach Jamaika werde "nicht geprägt sein von Reggae und Bob Marley und irgendeinem lässigen Style, sondern Jamaika wird ein sehr schweres Stück Arbeit". In Österreich zeige sich, so CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, "dass Wahlen Mitte-rechts gewonnen werden können". CSU-Chef Horst Seehofer kündigte für die Jamaika-Gespräche Entschlossenheit an. "Für die Zukunft der Union ist es ganz wichtig, dass wir uns auch in diesen Verhandlungen inhaltlich klar als bürgerlich-konservative Kraft positionieren", sagte er. Die Österreich-Wahl sei aber kein Anlass für eine Kurskorrektur der CSU und das Ergebnis in Niedersachsen kein Hindernis für Jamaika. Die Gespräche seien in jedem Fall "ein anspruchsvolles Unternehmen".

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen war die CDU nur auf 33,6 Prozent gekommen, das schlechteste Ergebnis seit fast 60 Jahren. Die SPD verbesserte sich um gut vier Prozentpunkte und kam auf 36,9 Prozent. In Österreich gewann am Sonntag mit Sebastian Kurz (ÖVP) ein Konservativer die Parlamentswahl, der sich in der Flüchtlingsfrage klar von Angela Merkel abgegrenzt hat. Auch die rechte FPÖ legte deutlich zu.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte am Montag Gespräche mit allen Parteien außer der AfD an und warnte vor einem Rechtsruck in der Union. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der in Kiel mit einem Jamaika-Bündnis regiert, warnte seine Parteifreunde ebenfalls vor falschen Schlüssen. "Ich halte einen Rechtsruck der Union für schlicht das falsche Signal", sagte er am Montag vor der Sitzung des CDU-Bundesvorstands. Kanzlerin Merkel zeigte sich von den Tönen aus der CSU eher unbeeindruckt. Sie habe sich ohnehin auf langwierige Jamaika-Verhandlungen eingestellt, sagte sie.

Die FDP kündigte an, "vorurteilsfrei und ergebnisoffen" in die Gespräche mit Union und Grünen zu gehen. "Wir müssen nichts müssen", sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Angesichts des CDU-Ergebnisses in Niedersachsen könne man sich allerdings fragen, "ob das Zuwarten geholfen hat bei den Koalitionsgesprächen". Die CDU hatte drauf bestanden, erst nach der Niedersachsenwahl ein Jamaika-Bündnis zu sondieren. Grünen-Chefin Simone Peter betonte am Montag, die "Gesamtgemengelage" sei nach der Niedersachsen-Wahl "nicht einfacher" geworden. Für die Grünen müsse nun "das Beste herausgeholt werden".

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