Koalitions-Möglichkeiten in Hessen:Wer kippt am ehesten?

Bleiben alle hessischen Spitzenkandidaten bei ihren Koalitionsaussagen, kommt in Hessen keine neue Regierung zu Stande. Die Folge: Einer der Kandidaten muss seine Wahlversprechen brechen. Fragt sich nur, wer. Von Christoph Schäfer

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Andrea Ypsilanti; Reuters

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Koalitions-Variante Nummer 1: SPD, Grüne und Linke

Entscheidender Protagonist: SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti

Umfall-Potential: Mittel bis niedrig. Bereits Monate vor der Wahl hat Ypsilanti mantraartig jede Form der Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch abgelehnt. Auch nach der Wahl schlossen Ypsilanti und SPD-Chef Kurt Beck eine Tolerierung durch die Linke aus.

Unwahrscheinlich wird ein solches Bündnis auch aufgrund der Bundestagswahl im nächsten Jahr: Sollte Ypsilanti mit Hilfe der Linken zur hessischen Ministerpräsidentin aufsteigen, hätten CDU und FDP bei der Wahl 2009 einen Präzedenzfall, auf den sich ein Lagerwahlkampf ausgezeichnet aufbauen lässt. Sie könnten ihre Anhänger durch die Behauptung mobilisieren, dass die SPD im Notfall doch auf die Linke zurückgreift - und hätten Recht damit.

Gegen ein Bündnis mit der Linken spricht auch, dass Kurt Beck auf Bundesebene geradezu allergisch auf das Spitzenpersonal der Linken reagiert. Mit einer Kooperation in Hessen würde sich Ypsilanti offen gegen Beck stellen, der ihr im Wahlkampf massiv geholfen hat.

Andererseits ...

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Andrea Ypsilanti; Reuters

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... liegen SPD und Linke in Hessen inhaltlich eng beisammen. Die zum linken Flügel der SPD zählende Ypsilanti könnte ihre zentralen Wahlversprechen - wie die Einführung von Mindestlöhnen und den Ausbau der Gesamtschulen - mühelos mit der Linken umsetzen.

Sollte die hessische FDP bei ihrer Weigerung zur Zusammenarbeit bleiben, ist eine Kooperation mit der Linken zudem die einzige realistische Möglichkeit für Ypsilanti, aus der Wahl doch noch als Ministerpräsidentin hervorzugehen.

Nicht zuletzt geben sich die Linken als willfährige Braut. Schon Wochen vor der Wahl hat ihr Spitzenkandidat Willi van Ooyen angekündigt, dass die Landtagsabgeordneten der Linken in jedem Fall für Ypsilanti stimmen werden, falls diese gegen Koch antritt.

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Jörg-Uwe Hahn und Andrea Ypsilanti; Reuters

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Koalitions-Variante Nummer 2: Ampelkoalition (Rot, Gelb, Grün)

Entscheidender Protagonist: FPD-Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn

Umfall-Potential: Mittel. Hahn hat vor und nach der Wahl eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen immer wieder ausgeschlossen. "Wir sind nicht das Stützrad von Rot-Grün. Da müssten wir uns zu sehr verbiegen", wiederholte Hahn am Montag seine Aussage vom Wahlabend.

Im Gegensatz zu Ypsilantis linker SPD sei die FDP eine Partei, die weniger Staat wolle und auch weniger Regulierung. "Wir passen inhaltlich einfach nicht zusammen", bekräftigte der hessische FDP-Chef und kündigte für seine Partei den Gang in die Opposition an.

Im Fernsehsender N24 erklärte Hahn am Montag zudem, dass er "überrascht und auch ein wenig missgestimmt" darüber ist, dass "Kollegin Ypsilanti heute Nacht schon wieder gegenüber Journalisten erklärt hat, dass man mit uns ja mal reden wolle. Wir saßen eben im Flieger nach Berlin fast nebeneinander, und kein Gespräch ist gemacht worden."

Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erklärte mit Rückendeckung von Parteichef Guido Westerwelle: "Wir werden nicht den Steigbügelhalter für Rot-Grün machen."

Allerdings ...

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Cornelia Pieper; ddp

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... gilt die FDP in Hessen als machthungrig. Zumindest SPD und Grüne spekulieren darauf, dass viele hessische Liberale lieber ihren unwilligen Spitzenkandidaten absetzen als erneut die Oppositionsbank zu drücken.

Schon am Morgen nach der Wahl meldeten sich erste prominente FDP-Politiker, die zumindest auf Bundesebene die enge Bindung an die Union aufgeben wollen, um koalitionsfähig zu bleiben. So erklärte die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper in der Leipziger Volkszeitung: "Die FDP ist gut beraten, sich nicht schon heute auf unveränderliche Koalitionen für die Bundestagswahl festzulegen."

Vielleicht setzt sich diese Ansicht auch in Hessen durch - schneller, als FDP-Frontmann Jörg-Uwe Hahn denkt.

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Andrea Ypsilanti und Kurt Beck; Reuters

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Koalitions-Variante Nummer 3: Große Koalition unter CDU-Führung

Entscheidender Protagonist: SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti

Umfall-Potential: Extrem niedrig. Obwohl die SPD lediglich zweitstärkste Kraft im neuen hessischen Landtag wird, hat sie im Vergleich zur vorigen Wahl 7,6 Prozentpunkte zugelegt - während die CDU ein Debakel erlebte und zwölf Punkte abgeben musste. Angesichts dieser Zahlen ist es unwahrscheinlich, dass sich die SPD mit der Rolle des Juniorpartners zufriedengeben wird.

Hinzu kommt, dass sich der Wahlkampf der SPD mit der Parole "Koch muss weg" zusammenfassen lässt. In Interviews vor der Wahl tat sich Andrea Ypsilanti mehrfach äußerst schwer damit, auch nur eine positive Eigenschaft an Roland Koch zu nennen. Das Arbeiterkind Ypsilanti blieb dem Charakter des Ministersohnes Koch stets herzlich abgeneigt.

Darüber hinaus liegen beide Parteien in der Sache weit auseinander. Derzeit ist kaum vorstellbar, wie sich CDU und SPD in Hessen in der Bildungs- und Verkehrspolitik, im Energiebereich, bei der inneren Sicherheit und beim Mindestlohn je einigen können.

Nicht ohne Grund schloss Ypsilanti eine Große Koalition noch vor Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses kategorisch aus: "Da geht wirklich gar nichts."

Andererseits ...

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Franz Josef Jung; dpa

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... sollte sich die CDU bereit erklären, jemand anderes als Roland Koch auf den Stuhl des Ministerpräsidenten zu setzen, könnte sich die hessische SPD zumindest diesen Erfolg auf die Fahnen schreiben. Als Nachfolger käme beispielsweise der aus Hessen stammende Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (Foto) in Frage, den Koch wiederum als Minister in Berlin ersetzen könnte.

Darüber hinaus würde die CDU die Sozialdemokraten voraussichtlich mit dem Posten des Landtagspräsidenten und mit wichtigen Ministerämtern locken. Auch bei der Führungsfrage in entscheidenden Landtagsausschüssen wäre unter einer CDU-Führung viel Spielraum.

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Roland Koch; AP

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Koalitions-Variante 4: Große Koalition unter SPD-Führung

Entscheidender Protagonist: Roland Koch

Umfall-Potential: Absolut null! Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat bereits seinen Anspruch auf die Regierungsbildung angemeldet. Trotz der hohen Verluste für die hessische CDU erklärte Koch, dessen Partei mit 3595 Stimmen Abstand vor der SPD liegt: "Zunächst einmal gibt es einen Regierungsauftrag für die stärkste Partei."

Auch wenn es die Sozialdemokraten schmerzt: Koch hat damit recht. Nach den ungeschriebenen Spielregeln der deutschen Demokratie beginnt die stärkste Partei mit den Sondierungsgesprächen und stellt in einer Großen Koalition auch den Ministerpräsidenten.

Ein prominentes Vorbild liefert die vergangene Bundestagswahl, aus der Angela Merkel ebenfalls als Regierungschefin hervorging - trotz denkbar knappen Vorsprungs vor der SPD und heftigster Gegenwehr des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD).

Von Roland Koch, einem Machtpolitiker reinsten Wassers, ist nicht zu erwarten, dass er mit dieser Tradition brechen wird - zumal ihn in seiner Partei niemand zwingen wird, seinen Hut zu nehmen. Trotz herber Verluste kann Koch nämlich für sich in Anspruch nehmen, die CDU zum dritten Mal in Folge zur stärksten Kraft in Hessen gemacht zu haben.

Foto: AP

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