Koalition:Sie müssen weiter reden

As Refugee Flow Ebbs Germany Concentrates On Integration

Die Flüchtlinge in Berlin sind auch Kostenfaktoren - vor allem aber sind sie Menschen, die Hilfe benötigen.

(Foto: Getty Images)

Bund und Länder feilschen darum, wer für die Kosten der Flüchtlingsversorgung aufkommt. Es geht um Milliarden. Auch bei der Erbschaftsteuer ist sich die Koalition noch uneins.

Von Guido Bohsem und Cerstin Gammelin, Berlin

Der Ton zwischen Bund und Ländern wird rauer. Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder bescheinigten sich am Donnerstagabend nach einem Gipfel, der sich über fünf Stunden hingezogen hatte und offenbar vor allem wegen des näher rückenden Spiels der deutschen Nationalelf bei der Europameisterschaft um 21 Uhr beendet wurde, erstaunlich offen, dass man soeben einen Tag des Vertagens hinter sich gebracht habe.

Noch am Morgen hatte es so ausgesehen, als könnten sich Bund und Länder in einigen wichtigen Themen einigen. Am Abend mussten Merkel und die Ministerpräsidenten so gut wie alle Entscheidungen zur Flüchtlingskrise sowie zu Finanzbeziehungen, derentwegen sie sich hauptsächlich getroffen hatten, verschieben. Was vor allem an der Verhandlungsführung der Länder lag, die alle strittigen Themen zu einem Gesamtpaket hatten schnüren wollen. Was schief ging.

Die Länder hatten etwa das Gesetz zur Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten als "Gesamteinheit" mit den noch laufenden Verhandlungen über die Kosten für Integration verknüpfen wollen, sagte Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU) nach dem Treffen. Mit dem Ergebnis, dass die für diesen Freitag im Bundesrat geplante Entscheidung über die umstrittene Einstufung von Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer vertagt wurde. Man habe vereinbart, das Thema von der Tagesordnung des Bundesrats zu nehmen, sagte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Grund sei der Widerstand der Grünen, die auf die Menschenrechtslage in den drei Maghreb-Staaten verweisen. "Wir versuchen, in den nächsten Tagen weitere Gespräche zu führen", ergänzte Haseloff. Ohne Zustimmung der Grünen kommt das Gesetz nicht durch. Ein neuer Versuch soll am 8. Juli unternommen werden, wenn die Länderkammer wieder tagt.

Im Streit um die Verteilung der Flüchtlingskosten stellten die Länder grundsätzlich vereinbarte Eckwerte wieder infrage. Als beschlossen gilt nur noch, dass der Bund die Kosten der Unterkunft übernimmt, das sind 400 Millionen Euro in diesem Jahr, bis 2018 wächst der Betrag auf 1,3 Milliarden Euro an. Weitere Angebote des Bundes zur Finanzierung der Kosten unbegleiteter Minderjähriger und zur vorgezogenen Endabrechnung tatsächlich gezahlter Kosten lehnten die Länder ab. "Die Vorstellungen von Bund und Ländern gehen sehr weit auseinander", sagte Haseloff. "Wir konnten uns nicht auf ein Gesamtpaket einigen, es gibt also auch kein Integrationspaket", sagte Merkel.

Die Länder fordern zudem, dass der Bund 2016 zusätzlich eine Integrationspauschale zahlt. Von dem Geld wollen die Länder Sprachkurse und ähnliche Vorhaben bezahlen. Der Bund lehnt das ab.

Merkel war die Ungeduld anzusehen, als Sieling erklärte, dass das nächste strittige Thema, die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, erst im Herbst gelöst werden könnte. Es passe gut in die dann laufenden Haushaltsverhandlungen, sagte er. Und: Der Bund müsse sich bewegen. Die Position der Länder, auf die sich diese einstimmig geeinigt hätten, "wird nicht wieder aufgemacht". Merkel bedachte Sieling mit einem Blick von der Seite. "Mein Verständnis von einem Länder-Finanzausgleich ist ein anderes."

Schon vor dem Treffen im Kanzleramt war der erneute Versuch gescheitert, sich auf die Reform der Erbschaftsteuer zu einigen. Ein Gespräch zwischen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) und CSU-Chef Horst Seehofer brachte nicht den erhofften Durchbruch. Die Gespräche sollen am Sonntag fortgesetzt werden. "Es geht nur noch um Formulierungen", ließen sich die drei Spitzenpolitiker der Koalition zitieren. Kurz zuvor hatten noch viele Zeichen auf eine Einigung hingedeutet. Mit der neuen Verzögerung kann die Koalition den Termin 30. Juni, den ihr das Bundesverfassungsgericht zur Neuordnung der Erbschaftsteuer eingeräumt hatte, definitiv nicht einhalten. Die Zeit, um das Gesetz zu beschließen, reicht dafür nicht aus. Die Richter hatten festgestellt, dass es zwar zulässig ist, aus wirtschaftlichen Gründen und mit Blick auf Jobs Nachlässe einzuräumen. Sie halten die derzeitige Regelung aber für viel zu großzügig und zu beliebig.

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