Koalition:Jeder kämpft für sich allein

Die SPD muss poltern, die CSU muss poltern, die CDU muss Angst haben: Die drei Regierungsparteien könnten sich früh in Vorwahl-Scharmützeln verlieren.

Von Christoph Hickmann

Gute Stimmung? Konstruktive Arbeitsatmosphäre? Es ist ein bisschen länger her, dass aus der Spitze der Koalition derart viel Harmonisches drang wie nach dem Treffen der drei Parteivorsitzenden am Mittwochabend im Kanzleramt. Man wolle nun, hieß es, bis zur Sommerpause unter anderem Leiharbeit und Werkverträge regulieren sowie eine Regelung zur Erbschaftsteuer finden, die auch von der CSU akzeptiert werden kann. Alles gut in der Koalition?

Davon kann keine Rede sein. Stattdessen ist die Versicherung, sich bis zur Sommerpause alle Mühe zu geben, nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit - oder sollte es zumindest sein. Zwar gilt in jeder Legislaturperiode die Regel, dass im letzten Jahr vor der Wahl nicht mehr viel passiert. Doch das aktuelle Bündnis läuft Gefahr, sich noch früher als ohnehin üblich in Vorwahl-Scharmützeln zu verlieren. Das liegt am Zustand der einzelnen Partner.

Da ist, auf der einen Seite, die SPD, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren lernen musste, dass sich solides Regieren für sie nicht lohnt, weil es ihr weder Wählerstimmen noch Sympathien einbringt. Ganz neu ist die Erkenntnis nicht, sondern letztlich die Vertiefung einer Lektion aus der ersten großen Koalition unter Angela Merkel. Doch während die Sozialdemokraten damals durch die Rente mit 67 die eigenen Leute verstört hatten, setzten sie diesmal auf vermeintliche Herzensthemen wie den Mindestlohn oder die Rente mit 63.

Die SPD muss poltern, die CSU muss poltern. Die CDU hat Angst

Genützt hat ihnen auch das nichts, stattdessen sinkt die SPD in den Umfragen den 20 Prozent entgegen - und wird, je weiter es nach unten geht, immer weniger Lust auf großkoalitionäre Disziplin haben. Wie das dann klingt, führte am Tag nach dem Dreiertreffen SPD-Generalsekretärin Katarina Barley vor. Trotz der angeblich so guten Stimmung in der Koalition prügelte sie weiter fröhlich auf die CSU ein.

Und die CSU? Dass Horst Seehofer sich ein bisschen beruhigt hat, heißt ja nicht, dass er dauerhaft ruhiggestellt wäre. Dazu ist die Lage, in die er sich manövriert hat, viel zu vertrackt. Immer wieder hat er einen Kurswechsel der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik verlangt. Den gibt es faktisch längst, aber Seehofer will, dass Angela Merkel ihn auch ausspricht - was nicht geschehen wird. Seehofer wird daher kaum etwas anderes übrig bleiben, als weiter den Polterer zu geben. Unabhängig davon, wie viele Flüchtlinge nun kommen.

Die CDU wiederum liegt in den Umfragen weit vor der SPD, von einer Kanzlerinnendämmerung ist keine Rede mehr. Trotzdem ist auch sie keine stabile, zufriedene Partei - schließlich schickt sich die AfD derzeit an, sich bundesweit rechts von ihr zu etablieren. Je näher der Wahltag rückt, desto stärker wird unter den Christdemokraten die Angst umgehen.

Die Regel, wonach in Koalitionen meist ein Partner profitiert, während die anderen verlieren, scheint diesmal nicht zu gelten. Stattdessen hat jeder Partner zu kämpfen. Für die letzten eineinhalb Jahre heißt das nicht viel Gutes. Daran ändert auch dieses eine Treffen im Kanzleramt nichts.

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