Koalition in Hamburg:Schwarz-Grün ist die Rache

Mit der Koalitionsvereinbarung mit der CDU kehren die Hamburger Grünen in die Mitte der Gesellschaft zurück. Die Partei rächt sich damit für die Herablassung, die sie von der SPD in der Schröder-Ära erfahren hat.

Heribert Prantl

Schwarz-Grün in Hamburg: Das ist ein neues, ein besonderes Kapitel in der uralten Geschichte vom verlorenen Sohn.

Koalition in Hamburg: Strahlende Koalition: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und die Vorsitzende der GAL, Christa Götsch.

Strahlende Koalition: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und die Vorsitzende der GAL, Christa Götsch.

(Foto: Foto: dpa)

Diese Geschichte von der Flucht aus der Gesellschaft und der Rückkehr in deren Mitte steht in ihrer Originalfassung beim Evangelisten Lukas in der Bibel; in der von Rembrandt gemalten Fassung hängt sie in der Eremitage von Sankt Petersburg; in der politischen Variante lebt sie jetzt bei Ole von Beust in der Hansestadt Hamburg. Und die öffentliche Freude darüber ist groß: Schwarz-Grün gilt als eine Kombination, die dem Zeitgeist entspricht.

Vom biblischen Original weicht diese neue Geschichte der verlorenen Söhne und Töchter ein wenig ab: Die Grünen haben sich, seit ihrem Ausbruch aus dem System vor dreißig Jahren, nicht durchweg als Schweinehirten in der Fremde verdingt, sie kehren auch nicht aus tiefer Reue zurück - sondern deswegen, weil die Zeiten halt so sind, weil so viel anders geworden ist seit den siebziger Jahren:

Die SPD ist nicht mehr richtig rot, die Schwarzen sind nicht mehr richtig schwarz und die Grünen sind nicht mehr so grün. Und es gibt eine neue Partei, die Linke, die so provokant tut, als wären sie die Grünen von heute; die Linke ist politisch so randständig, wie es die Grünen einmal waren.

Was haben die Grünen davon?

Die einst der Bürgerlichkeit entlaufenen Kinder kommen also, älter geworden und abgeklärter, wieder dorthin zurück. Die Grünen werden Juniorpartner der Partei, die ihnen einst als die Organisation eines öden, schalen und unaufgeklärten Bürgertums galt.

Und Ole von Beust, der Regierungschef in Hamburg, macht es ihnen leicht, weil er ein weites Herz hat: Einst hat er es mit der rechtsradikalen Schill-Partei gut gekonnt, jetzt kann er es gut mit den Grünen. Das ist nicht Prinzipienlosigkeit, sondern Politik. Politik sorgt sich vor allem um die Macht.

Was haben nun die Grünen von der ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene? Die Grünen haben nicht wenig von ihren Zielen ins Koalitionsprogramm gebracht, mehr jedenfalls, als man hatte erwarten können. Und sie haben Genugtuung: Schwarz-Grün - das ist die Rache für die Herablassung, mit der die Grünen von der SPD in der Koalition des Kanzlers Gerhard Schröder behandelt worden sind. Schröder hat sie so oft wie Domestiken traktiert; die Union hofiert sie.

Und alles, was Unionisten einst Hässliches über die Grünen gesagt haben, wird jetzt im Hamburger Freudenfeuer verbrannt: Das Wort von CSU-Glos über die grünen "Zecken" ebenso wie das von CDU-Althaus über die "Horrorvorstellung" Schwarz-Grün.

Die neue Hamburger Farbenlehre erweitert die Machtoptionen für die Union und für die Grünen; und wenn jetzt alle Beteiligten sagen, für die Bundesebene bedeute das gar nichts, muss man nicht sehr viel darauf geben. Für die Grünen ist das alles nicht ungefährlich.

Schwarz-Grün ist die Rache

Ein großer Teil ihrer Führungsprominenz ist zwar längst in der Mitte angekommen, die Basis ist aber immer noch eher alternativ, sie fühlt sich als grüne Linkspartei - und die bürgerliche Wähler-Klientel, die sich von den Grünen angesprochen fühlt, ist eher eine, die das Gemisch aus ein bisschen Links, ein bisschen Öko, ein bisschen Frieden und ein bisschen Menschenrechte reizvoll gefunden hat.

Ole von Beust und Christa Götsch Hamburg; dpa

Strahlten bei der Präsentation des Koalitionsvertrages: Koalitionspartner Götsch und von Beust

(Foto: Foto: dpa)

Die grüne Partei wurde von einem aufgeklärten, engagierten Bürgertum und den kritischen Bildungseliten als linksliberales Korrektiv geschätzt; wenn sie sich in der Koalition mit der CDU entfärbt und sich freidemokratisiert, wird sie für diese bisherige Klientel uninteressant.

Eine Freidemokratisierung der Grünen könnte die FDP freilich veranlassen, sich wieder auf ihre alte Linksliberalität zu besinnen - und sich gleichzeitig aus der Abhängigkeit von der Union zu befreien. Eine neue Beweglichkeit der FDP könnte also die naheliegende Fernwirkung der Hamburger Koalition sein.

Und was profitiert die Union von dieser Koalition? Sie gewinnt mental und strategisch neue Freiheit, sie wirkt farbiger und aufgeschlossener. Das hat Wolfgang Schäuble schon 1994 bei seinem kurzen Flirt mit den Grünen beabsichtigt: Damals wurde mit Hilfe der Union die Grüne Antje Vollmer zur Vizepräsidentin des Bundestags gewählt, die SPD damit düpiert und als machtpolitisch unfähig vorgeführt.

Machtpolitik haben CDU und CSU seit jeher besser verstanden als die SPD. Selbst der Grünen-Fresser Franz Josef Strauß hat 1988 in München, um der SPD eins auszuwischen, die Wahl eines grünen Kommunalreferenten ermöglicht: "Bei der Wahl zwischen Lungenentzündung und Herzinfarkt entscheide ich mich für die Lungenentzündung."

Die Lungenentzündung stand für das Zweckbündnis mit den Grünen. Und als Strauß den Widerspruch in Wahlreden über das "rot-grüne Chaos" rechtfertigte, sagte er: "Vormittags machen wir Propaganda, und nachmittags Politik." Dieses Wort könnte gelegentlich das Motto einer Klausur der SPD zum Umgang mit der Linkspartei werden.

Das Problem dieser SPD ist derzeit, dass sie weder die Propaganda noch die Politik hinkriegt. Und bei der Wahl zwischen Lungenentzündung und Herzinfarkt entscheidet sie sich für beides. Schwarz-Grün in Hamburg könnte also für die SPD wie für die FDP ein Anlass sein, in Klausur mit sich zu gehen.

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