Koalition in Berlin:Rot wird grün wird rot

Kommen und Gehen in Berlins Koalition: Nach dem Wechsel einer SPD-Abgeordneten zu den Grünen kann sich Wowereit auf überraschende Verstärkung freuen - aus der Grünen-Fraktion.

Die bisherige Grünen-Abgeordnete Bilkay Öney hat am Dienstag ihre Partei und Fraktion verlassen und erwägt ihren Eintritt bei der SPD-Fraktion. Sie begründet ihren Schritt mit bundespolitischen Erwägungen. Dem Tagesspiegel erklärte sie, der Wechsel von Canan Bayram von der SPD zu den Grünen habe die rot-rote Koalition in Berlin so geschwächt, dass dies bundespolitische Auswirkungen hätte.

Koalition in Berlin: Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit freut sich "über alle, die bei uns mitarbeiten wollen".

Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit freut sich "über alle, die bei uns mitarbeiten wollen".

(Foto: Foto: dpa)

Bei der Bundestagswahl im September gehe es jedoch um die zentrale soziale Frage: "Will man sozialen Abbau oder soziale Gerechtigkeit?" Sie wolle nicht indirekt zur "Wahlhelferin von Schwarz-Gelb" auf Bundesebene werden. Außerdem seien Migranten noch stärker als andere Gruppen betroffen, sagte die bisherige integrationspolitische Sprecherin der Berliner Grünen.

Falls sich Öney der SPD anschließt, hat die SPD/Linke-Koalition wieder eine Mehrheit von drei Stimmen gegenüber der Opposition von CDU, Grünen und FDP im Abgeordnetenhaus. Aus SPD-Kreisen hieß es, Öney werde am Mittwoch ihren Wechsel zur SPD-Fraktion bekanntgeben. "Frau Öney hat uns mitgeteilt, dass sie überlegt, bei uns einzutreten. Sie steht nach eigenen Worten den Positionen der SPD sehr nahe", sagte SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte nach Angaben seines Sprechers: "Ich freue mich über alle, die bei uns mitarbeiten wollen. Der Jubel der Grünen aus der vergangenen Woche ist in sich zusammengebrochen." Senat und Koalition könnten jetzt in Ruhe weiterarbeiten.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, bezeichnete Öneys Entscheidung als einen "schweren Schlag". Er bedaure sehr, dass eine versierte Migrationspolitikerin diesen Schritt gegangen sei und die Grünen verlassen habe, sagte Ratzmann am Morgen im Radio Eins des RBB.

Nachdem in der vergangenen Woche die SPD-Abgeordnete Canan Bayram zu den Grünen übergetreten sei, habe es sehr lange Gespräche mit Öney gegeben. Sie habe befürchtet, dass Bayram in ihrem Feld Politik machen und damit ihre Position in Frage stellen würde. Obwohl man ihr zugesichert habe, dass dies nicht der Fall sein werde, sei Öney aber augenscheinlich aus diesen Gründen und nicht aus politischen gegangen.

Grünen-Fraktionssprecherin Corinna Seide sagte, offiziell habe die bisherige migrationspolitische Sprecherin in ihrem zweizeiligen Rücktrittsschreiben keinen Grund genannt. Offenbar habe sie aber befürchtet, durch den Übertritt der Flüchtlings- und Migrationsexpertin Bayram ihren Sprecherposten bei den Grünen zu verlieren. Es habe seit zehn Tagen entsprechende Anzeichen und Gespräche mit Öney gegeben. Nachvollziehen könne sie das nicht, sagte Seide. "Öney hatte die feste Zusage der Fraktion, dass sie ihr Politikfeld behält." Noch in der Fraktions-Sondersitzung am vergangenen Donnerstag habe Öney für die Aufnahme von Bayram gestimmt, so dass die Entscheidung einstimmig ausfiel, sagte Seide.

Auf die Überlegung des Linke-Abgeordneten Carl Wechselberg, seine Partei aus Unmut über deren zunehmende Radikalisierung zu verlassen, aber Mitglied ihrer Fraktion zu bleiben, dürfte die neueste Entwicklung keinen Einfluss haben.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Henkel stellte die Verlässlichkeit der Grünen innerhalb der Opposition infrage. "Ich mache mir große Sorgen um die Grünen. Zwei Vorsitzende sind offenbar nicht in der Lage, die Stimmung innerhalb ihrer kleinen Fraktion richtig einzuschätzen", kritisierte Henkel. "Wowereits Mehrheit ist wiederhergestellt. Dafür tragen die Grünen die Verantwortung."

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